Akte X - Staffel 7




Alles zu Chris Carters Mystery-Serien Akte X, MillenniuM und The Lone Gunmen

Akte X - Staffel 7

Beitragvon nevermore » Mi 16. Okt 2019, 18:39

Die siebte Staffel von Akte X sollte ursprünglich eigentlich die letzte sein. Chris Carters Vertrag lief nach dieser Staffel aus, ebenso wie der David Duchovnys, der nach sechs Jahren Akte X der Serie ohnehin überdrüssig war und etwas anderes machen wollte.

Nun, wie wir wissen, kam es anders; hinterher ist man immer schlauer.

Als man die Arbeit an Staffel 7 aufnahm, ging das Produktionsteam aber davon aus, dass dies die letzte Akte X-Staffel sein wird, man bereitet die Schließung diverser Charakterbögen und Handlungsfäden vor. Vor allem erfährt man endlich das Schicksal von Mulders Schwester Samantha.

Charakteristischerweise ist in der Stafffel viel von Toten und Untoten und von religiösen Themen die Rede, sowohl in den Mytharc-Episoden als auch in den Monster-of-the-Week-Folgen. Der heitere Ton, der vor allem das erste Drittel der sechsten Staffel beherrschte, ist fast gänzlich verschwunden; die Folgen sehen auch wieder eher nach Vancouver-Folgen aus, auch wenn der Drehort nach wie vor Los Angeles ist. Einige Experimente sind auch wieder dabei, so gibt es eine Episode von David Duchovny und eine von Gillian Anderson, auch William Davies steuerte ein Drehbuch bei. Platz ist auch für eine Crossover-Episode zu Millennium mit einem Auftritt von Frank Black.

Mytharc-Episoden (kursiv die absolut unerlässlichen):

7X03: The Sixth Extinction
7X04: The Sixth Extinction II: Amor Fati
7X10: Sein und Zeit
7X11: Closure
7X15: En Ami
7X22: Requiem
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Re: Akte X - Staffel 7

Beitragvon nevermore » Mi 16. Okt 2019, 19:06

Folge 1, Staffel 7: "Böse Zeichen / The Sixth Extinction"

Drehbuch: Chris Carter
Regie: Kim Manners



Am Strand an der Elfenbeinküste untersucht Scully die auf dem UFO eingravierten Schriftzeichen, in der Hoffnung, die Ursache für Mulders Erkrankung zu finden. Währenddessen befindet sich Mulder im Krankenhaus in einem kritischen Zustand, und ein Versuch Skinners, mit Hilfe von Michael Kritschgau mit einer experimentellen Behandlung einzugreifen, macht alles nur noch schlimmer.

Der Episodentitel "The Sixth Extinction" bezieht sich auf Scullys Eröffnungsmonolog in "Biogenesis", in dem sie über die (bisher) fünf Massenaussterben auf der Erde und das sechste, von dem Wissenschaftler glauben, es sei bereits im Gange, referiert. Im allgemeinen werden die Massenaussterben auf ca. 500, 450, 350, 250 und 65 Millionen Jahre in der Vergangenheit datiert, und jedesmal verschwanden große Gruppen von Spezies und es entstanden neue. In Akte X wird der Kulminationspunkt des sechsten Massenaussterbens die Kolonisierung der Erde durch die Außerirdischen sein, die - so deutet der Dreiteiler an - auch die früheren Massenaussterben orchestrierten. In ihrem Eröffnungsmonolog fragte Scully nach einem Sinn des Ganzen, und nach einem Zeichen, das ihn enthüllen würde - mit dem am Ende von "Biogenesis" an der Elfenbeinküste entdeckten UFO hat sie ihn gefunden.

Scully hat sich am Fundort in einem Zelt einquartiert und trifft dort auf eine afrikanische Biologin, Amina Ngebe. Gemeinsam mit dem ebenfalls dort eintreffenden Dr. Barnes gelingt es den beiden Frauen, Bruchstücke der Inschriften auf der Oberfläche des Schiffs zu entziffern: Sie stoßen auf weitere Teile des humangenetischen Codes, Zitate aus dem Koran und antiken sumerischen sowie heidnischen Texten. (Barnes zeigt hier sein wahres Selbst: Sein in "Biogenesis" zur Schau gestellter Skeptizismus war nur eine Fassade, tatsächlich ist Barnes schon sein ganzes Leben hinter denselben Erkenntnissen wie sein Kollege Sandoz, den er zu diskreditieren versuchte, her, und will jetzt die spektakuläre Entdeckung für sich reklamieren.) Dass die Inschriften in Navajo-Schrift verfasst sind, gibt Rätsel auf: Stammt womöglich die Sprache der Navajo selbst von den Aliens? Es würde erklären, warum die Sprache so unterschiedlich zu anderen ist und als Code im Zweiten Weltkrieg so schwer zu entschlüsseln war.

Das Schiff am Strand der Elfenbeinküste ist offensichtlich uralt und unterscheidet sich sehr von denen, die wir bisher in Akte X gesehen haben. Es hat keine Besatzung, es ist kein normales Raumschiff, das für Entführungen oder Transporte eingesetzt wird. Es ähnelt dem Monolithen in "2001: A Space Odysee". Es ist ein heiliges, ein mächtiges Objekt. Die afrikanischen Arbeiter spüren seine Macht (wie auch Albert Hosteen), und haben Angst, sich ihm zu nähern. Als Scully, Ngebe und ihr Team versuchen, hinter die Geheimnisse des Schiffs zu kommen, versucht es, sie abzuschrecken: Scully wird in ihrem Zelt von einer Heuschreckenplage heimgesucht, das Meerwasser fängt an zu kochen und verwandelt sich in ein Meer von Blut, tote Fische erwachen wieder zum Leben - es erinnert an die biblischen Wunder bzw. die Plagen aus dem Buch Exodus. Das Schiff hat nicht nur Macht über die Elemente, sondern auch über Leben und Tod. Mehrmals erscheint der Geist eines sehr alten afrikanischen Weisen, und er teilt Scully mit: "Some truths are not for you." Nicht nur den afrikanischen Arbeitern, sondern auch Ngebe und Scully wird es zuviel und sie ziehen sich zurück.

Barnes stellt fest: " There is no God. What's out there on the water... is only what we call "God"... What we call 'creation'." Die Episode deutet an, dass das Schiff zur Erde kam und mit Hilfe außerirdischer DNA aus der "Ursuppe" die erste Zelle schuf, aus der sich alles Leben auf der Erde entwickelte. Wunder und Wunderheiler sowie Plagen in der Bibel und anderen religiösen Texten wären damit Manifestationen des Schiffs, des Schöpfers, den die Menschen fürchten sollten. Letztlich ist aber das Schiff nichts anderes als ein Objekt, mit einer Technologie, die so überlegen ist, dass sie wie Magie erscheint (Arthur C. Clarkes "drittes Gesetz": "Jede hinreichend fortschrittliche Technologie ist von Magie nicht zu unterscheiden."). Am Ende von "The Sixth Extinction" ist das Schiff verschwunden; möglicherweise hat es sich selbst repariert und ist abgehoben, was auf die Anwesenheit von Nanotechnologie hindeuten könnte.

Während all dessen ist Mulder weiterhin in Behandlung in der Psychiatrie, und sein Zustand verschlechtert sich ständig. Die Ärzte stehen vor einem Rätsel: "There's activity in the temporal lobe we've just never seen. It won't allow his brain to rest or shut down, manifesting in episodes of aggression ... sometimes against himself. [...] We slow him down for short periods and put him in the neuro ward. It's the only way we're able to run tests. But over time... his brain is going to just die." Der Temporallappen ist ein Teil des Großhirns, der mit Sinneswahrnehmungen wie Sehen und Hören in Verbindung steht. Mulder schafft es, bei einem Besuch Skinners diesem zu kommunizieren, dass er Michael Kritschgau - den früheren Mitarbeiter des Verteidigungsministeriums, bekannt aus dem "Redux"-Dreiteiler - hinzuziehen solle. Der inzwischen unehrenhaft entlassene Kritschgau stimmt widerwillig zu und erkennt Ähnlichkeiten zwischen Mulders Zustand und dem von Testpersonen in Fernwahrnehmungsexperimenten, die von der CIA in geheimen Projekten durchgeführt wurden. Solche Experimente wurden früher schon in Akte X thematisiert; dass sie tatsächlich vorgenommen wurden, ist historisch belegt. Bei den von Kritschgau erwähnten Experimenten handelt es sich um das Stargate Project, das in den 1970er Jahren in Stanford durchgeführt wurde und sich mit Fernwahrnehmung und anderen PSI-Phänomenen beschäftigte. Das Projekt wurde später wegen mangelnden Erfolgs eingestellt ("...a high degree of ability was 20%. 25% was extraordinary"). Kritschgau zufolge hatten einige Testpersonen ähnliche Symptome wie Mulder: "Extreme subjects would go into arrest, their minds working harder than their bodies could sustain. They became, in effect, all brain. Phenytoin was the only thing that could slow the electrical impulses to a normal rate". Phenytoin ist ein bekanntes Medikament, das bei Epilepsie eingesetzt wird und die Gehirnaktivität reduziert. Es gibt hier Mulder eine teilweise Kontrolle über seine Bewegungen und seine Sprache zurück, ohne seine PSI-Fähigkeiten zu beeinträchtigen.

Kritschgau weist zunächst darauf hin, dass er nicht an Außerirdische glaube. Die PSI-Fähigkeiten in den CIA-Experimenten hätten auf biologischen Anomalitäten basiert und seien nie mit Außerirdischen in Verbindung gebracht worden. Mulder jedoch beharrt darauf, dass seine neuen Fähigkeiten außerirdischen Ursprungs sind. Als Mulders Testresultate außerordentlich erfolgreich sind, ändert Kritschgau seine Meinung um 180 Grad: "Agent Mulder is living proof of what he tried so long to substantiate: the existence of alien life" - ich muss sagen, dieser Sinneswandel Kritschgaus von Skeptiker-Hardliner zum überzeugten Anhänger von Mulders Vorstellungen war für mich nicht nachvollziehbar und ging mir deutlich zu schnell.

Mit Mulders neu erlangten PSI-Fähigkeiten schlägt "The Sixth Extinction" den Bogen zum Staffel 5-Finale und zum Wunderkind Gibson Praise. Auch Praise war teilweise außerirdisch und hierdurch "more human than human"; in ihm war die (außerirdische) Junk-DNA aktiv, was ihm seine PSI-Fähigeiten verlieh. Mulder hat hier dieselben Fähigkeiten und er führt dies auf etwas Außerirdisches zurück: "What's causing this is alien." So wie Mulder Gibson Praise in "The End" als den Schlüssel zu allem in den X-Akten bezeichnete, ist in "The Sixth Extinction" Mulder selbst zu dem geworden, was er immer gesucht hatte. "Now he's the proof. He's the X-File."

Zusammengenommen handeln "Biogenesis" und "The Sixth Extinction" davon, wie Wissenschaft und religiöser Glaube in Einklang zu bringen sind. Im Grunde ist dies Scullys persönliches Thema durch die ganze Serie, deshalb ist es sinnvoll, dass sie es ist, die hier im Mittelpunkt der Handlung steht. Während Scully schon früher mit religiösen Phänomenen zu tun hatte, die sie nicht wissenschaftlich erklären konnte, hat sie eine solche Vermengung von Wissenschaft und Religion, wie sie sie auf und um das Schiff vorfindet, noch nicht gesehen: "But what little we have found has been staggering-- passages from the Christian Bible, from pagan religions, from Ancient Sumeria... science and mysticism conjoined." (Carter: "The show is kind of a search for God, because I believe science is a search for God.") In "Biogenesis / The Sixth Extinction" entdeckt Scully darüber hinaus aber auch noch, dass es eine wissenschaftliche Basis für die Suche nach Außerirdischen gibt, und dies mit ihrem Glauben in Verbindung steht. Wenn die Aliens das sind, was wir unter Gott verstehen, und sowohl unsere religiösen Texte als auch die Basis unserer Wissenschaft von ihnen stammen, dann bedeutet das, dass Mulder und Scully letztendlich auf der Suche nach ein- und demselben sind. Es sind nur verschiedene Facetten desselben Glaubenssystems.

Unter der Regie von Kim Manners hat "The Sixth Extinction" nicht ganz die cineastische Qualität wie "Biogenesis", aber es sind, vor allen an der Küste, dennoch wieder sehr schöne Aufnahmen zu sehen. Auch die schauspielerischen Leistungen der beiden Hauptdarsteller sowie von Michael Ensign in der Rolle des undurchsichtigen Dr. Barnes und Mitch Pileggi als in der Zwickmühle steckendem Walter Skinner haben mir gut gefallen. Die größte Stärke der Episode ist jedoch die Weiterentwicklung der Mythologie aus den Fäden, die in "Fight The Future" und "The End" angefangen wurden, und das Konvergieren der Handlungsbögen von Mulder und Scully. Die Thematik bedingt es, dass es der Episode, wie schon "Biogenesis", etwas die Spannung fehlt, aber das finde ich nicht schlimm. Abzüge gibt es wegen der m.M.n. missglückten Charakterentwicklung von Michael Kritschgau. Insgesamt vergebe ich fünf Heuschrecken dafür.
nevermore
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