Folge 10, Staffel 1: "Gefallener Engel / Fallen Angel"Drehbuch: Howard Gordon & Alex Gansa
Regie: Larry ShawIn Wisconsin ist ein UFO abgestürzt, und das Militär ist auf der Suche nach dem flüchtigen außerirdischen Piloten. Der von Deep Throat über den Vorfall informierte Mulder reist zur Absturzstelle, wird dort vom Militär festgenommen und macht im Gefängnis die Bekanntschaft des UFO-Fanatikers Max, der ebenfalls am Absturzort aufgegriffen wurde.
"Fallen Angel" markiert den Beginn einer Reihe von langfristigen Handlungssträngen. Das Militär unter der Leitung von Col. Henderson versucht, den Absturz zu verbergen und die Geschehnisse zu vertuschen, indem Henderson zunächst der Flugüberwachung den Befehl gibt, das UFO als "Meteoriten" zu deklarieren (herrlich der trockene Kommentar der Mitarbeiterin, als ein zweites UFO bei der Absturzstelle auftaucht: "The meteor seems to be hovering above a small town") und dann der Öffentlichkeit zu erzählen, es handle sich um ein Zugunglück, das eine ökologische Katastrophe herbeiführen könnte. Für Regierungsmitarbeiter hat man eine andere Lüge parat, demnach handelt es sich um einen abgestürzten libyschen Kampfflieger. Die zweite Erklärung ist fast noch unglaubwürdiger als die erste; wieso soll sich ein libyscher Kampfflieger mit einem Atomsprengkopf an Bord in den Norden der USA verirren?
Das Alien, das das abgestürzte UFO geflogen hat, kann sich tarnen und starke Radioaktivität aussenden, um sich zu verteidigen.
Scully, vom FBI hergeschickt, um Mulder zurückzuholen, ist wütend, weil Mulder ständig die Grenzen überschreitet, und nervt ihn die ganze Folge wegen der Anhörung und der drohenden Schließung der X-Akten - ein weiterer Handlungsstrang, der hier begonnen wird. Mulder scheint ziemlich egal, was aus ihm (oder den X-Akten) wird. (Henderson auf der anderen Seite ist auch alles außer seiner Bergungs- und Vertuschungsaktion egal, er behindert sogar die Notärzte bei der Versorgung seines Personals.) Zur Schließung der X-Akten kommt es beinahe auch schon in dieser Episode, als Mulder sich im FBI in einer Anhörung verantworten muss. Anders als andere frühe Episoden suggeriert "Fallen Angel" mit den offensichtlichen Vertuschungsaktionen und absurden Coverstories, dass Mulders Behauptungen über eine Verschwörung und die Existenz Außerirdischer nicht nur seine Hirngespinste sind. Mulders Insubordination und eigenmächtiges Handeln wird vom Sektionschef McGarth dazu benutzt, die Schließung der X-Akten und Mulders Entlassung aus dem FBI zu erwirken. Lediglich Deep Throats Einschreiten kann dies in letzter Sekunde noch verhindern. Deep Throats Agenda wird hier weiter undurchsichtig gehalten, als er McGarth erzählt, es sei besser, Mulder weiterarbeiten zu lassen, als ihn zu einer Kultfigur der UFO-Bewegung zu machen - und suggeriert McGarth hierbei, dass Mulder in Wahrheit auf dem Holzweg ist ("... what he
thinks he knows"). "Always keep your friends close, Mr. McGrath... but keep your enemies closer." So ganz weiß man hier nicht, was man von Deep Throat halten soll.
Dass die Idee, Mulder könnte zu einer Kultfigur werden, nicht völlig aus der Luft gegriffen ist, wird in seiner Begegnung mit Max Fenig deutlich. Fenig, in jeder Hinsicht ein archetypischer UFO-Geek, macht Mulder klar, dass er unter Max und seinesgleichen eine Berühmtheit ist, und jeder seiner Schritte von ihnen akribisch beobachtet wird. Wie sich herausstellt, schrieb Mulder unter einem Pseudonym zumindest einen Artikel in einem ihrer Underground-Magazine - auch dies ging, entgegen Mulders Annahme, nicht unter: "I didn’t think anyone was really paying attention." - "Someone's always paying attention, Mr. Mulder."
Mit seiner Historie von neurologischen und psychiatrischen Erkrankungen ist Max das perfekte Entführungsopfer, da ihm seine Geschichten keiner abnimmt. Es ist kein Wunder, dass sich Mulder und Max sofort anfreunden, während Scully mit Max ihre Probleme hat, wie schon mit den Teenagern in der Folge "Deep Throat". Ihre Gleichgültigkeit und Kälte gegenüber Maxs Schicksal gefielen mir hier nicht. Auch hier tauchen, wie schon im Pilotfilm, wieder die Implantate auf, die Max erst zur Absturzstelle und dann zum zweiten, zur Bergung herbeikommenden UFO lenkten.
Wie schon in "Deep Throat" (der Episode) rückt Akte X in "Fallen Angel" die menschlichen Folgen der Regierungsmachenschaften für die Betroffenen ins Zentrum des Geschehens. Max Fenig ist hier ein Überlebender von Geschehnissen und Missbrauch, die völlig außerhalb seiner Kontrolle stattfinden und die er nicht einmal verstehen kann. Die Episode impliziert zumindest stark, dass Maxs neurologische Probleme, die epileptischen Anfälle und seine Schizophrenie, die Folge mehrfacher Entführungen sind, deren er sich offenbar nicht einmal bewusst ist. Das Resultat der Entführungen ist ein zerstörtes Leben, er lebt allein und isoliert in einem Wohnwagen und wird von niemandem ernst genommen (Parallelen zu Mulder sind vermutlich nicht rein zufällig). Trotzdem gibt er nicht auf und sucht nach Antworten auf das, was ihm widerfahren ist. Scott Bellis verkörpert die Rolle dieses schrägen und gleichzeitig tragischen Außenseiters fantastisch.
Am Ende haben Mulder und Scully wieder einmal keine Beweise, Scully ist bei der Entführung nicht anwesend, versucht aber dennoch, einen vernünftig klingenden Bericht zu verfassen und ein Statement abzugeben, das Mulder unterstützt. Mulder hingegen lehnt sich offen gegen seine Vorgesetzten auf: "No government agency has jurisdiction over the truth!" Dass er gefeuert wird, wird eben noch von Deep Throat verhindert, der offenbar eine Position innehat, die ihm erlaubt, die X-Akten geöffnet zu halten. Im FBI, im Pentagon? So ganz klar ist mir das nicht. Ein gefährliches Spiel, man fragt sich wie lange das und auch Mulders außercurriculäre Aktivitäten noch gut gehen können.
"Fallen Angel" bringt die Rahmenhandlung voran bzw. startet einige Handlungsstränge erst. Es gibt diverse gelungene Szenen, besonders um den Absturzort des UFOs, und mit Max Fenig wird ein interessanter Nebencharakter eingeführt. Wieder einmal - bereits zum vierten Mal in dieser frühen Phase - bringt sich Mulder durch einen Alleingang in Gefahr und Scully muss ihn aus dem selbst verursachten Schlamassel herausholen, wobei die undurchsichtigen Vorgänge auch sie als Charakter wieder ein Stück weiterbringen. Bei den schauspielerischen Leistungen ist besonders Scott Bellis als Max Fenig hervorzuheben. Insgesamt hat mir "Fallen Angel" gut gefallen, ich gebe fünf abgestürzte libysche Kampfjets dafür.