Alles zu Chris Carters Mystery-Serien Akte X, MillenniuM und The Lone Gunmen
Antwort schreiben

Re: Akte X - Staffel 1

Fr 30. Nov 2018, 21:24

Folge 6, Staffel 1: "Schatten / Shadows"

Drehbuch: Glen Morgan & James Wong
Regie: Michael Katleman



Mulder und Scully werden auf den mysteriösen Tod zweier Räuber aufmerksam. Offenbar wurde ihnen die Luftröhre von innen zugedrückt. Die Hauptverdächtige ist ihr Opfer, Lauren Kyte. Mulder glaubt, dass sie die Männer mittels Telekinese umgebracht hat.

"Shadows" ist eine der frühen Episoden, die ihre Existenz den Wünschen des Senders Fox verdankt.
Writing partners Glen Morgan and James Wong wrote this episode as a reaction to 20th Century Fox requesting more episodes where Mulder and Scully help people while investigating the paranormal. Morgan and Wong were fond of ghost stories and executives at the company had suggested an episode that would involve poltergeists. "We should do a poltergeist show! We should have relatable characters!" Wong remembered being advised by an executive. The process of writing "Shadows" was fueled by Morgan and Wong hoping to, in Morgan's words, "get them [the Fox executives] off our back," so that he and Wong could pursue some of the more offbeat stories they had in mind.
http://x-files.wikia.com/wiki/Shadows

Diese Art Kuhhandel - eine Episode nach den Wünschen des Senders zu produzieren, um im Gegenzug mehr Freiraum mit anderen Episoden zu haben - ist offenbar besonders bei neuen TV-Serien eher die Regel als die Ausnahme. Besonders in der ersten Staffel gibt es so einige dieser Art. Dabei ist "Shadows" nicht einmal schlecht gelungen. Es ist eine traditionelle Geistergeschichte mit den klassischen Themen Liebe, Tod, Schuld und Rache, die geschickt mit einer Geschichte um Wirtschaftskriminalität verwoben ist.

Mulder und Scully werden von zwei unbekannten Agenten zu dem Fall hinzugerufen - meiner Erinnerung nach das erste Mal, dass sie ernsthaft als Experten für Unerklärliches herangezogen werden. Die aufgefundenen Angreifer sind schon lange tot, die Leichen reagieren aber immer noch auf externe Stimuli. Laut Autopsie wurde ihnen die Kehle von innen her zerschmettert. Die beiden unbekannten Agenten sind sehr unkooperativ - obwohl sie es waren, die Mulder und Scully herbeigerufen haben - und nicht bereit, irgendwelche Informationen herauszugeben. Durch Mulders Geniestreich, mit einer Brille Fingerabdrücke einer der Leichen hinauszuschmuggeln, kommen er und Scully trotzdem hinter die Angelegenheit: Es sind eine Terrorzelle aus dem Mittleren Osten und eine Rüstungsfirma in den Fall verstrickt.

Im Zentrum der Geschichte steht aber nicht der illegale Waffenhandel, der die Handlung lediglich transportiert, sondern die Sekretärin Lauren Kyte und ihre Beziehung zu ihrem verstorbenen Chef - von dem sich herausstellt, dass er nicht wie offiziell verlautbart Selbstmord begangen hat, sondern ermordet wurde. Zwar fand ich die Hauptfigur etwas überzeichnet, aber die schauspielerische Leistung von Lisa Waltz in der Rolle der Lauren trägt viel zum Gelingen der Folge bei.

Lauren weiß selbst nicht, was mit ihr passiert - Mulder vermutet zuerst psychokinetische Fähigkeiten, bis er dahinter kommt, dass der verstorbene Howard Graves als Poltergeist hinter den unerklärlichen Vorgängen steckt. Scully hält Lauren lediglich für eine Komplizin, und in dieser Episode fand ich ihr Verhalten ziemlich ärgerlich. Erst ist sie die ganze Zeit über unnötig grob zu Lauren, obwohl ihre angebliche Komplizenschaft eine reine Vermutung ohne jegliche belastbaren Hinweise war, dann manipuliert sie sie, um den Fall aufzulösen. (Mulders Enttäuschung über dieses Verhalten stand ihm ins Gesicht geschrieben.) Reichlich arrogant fand ich auch ihr Auftreten gegenüber der Gerichtsmedizinerin, als es darum ging, ob Graves seinen Tod vorgetäuscht haben könnte. Die Autoren scheinen vermitteln zu wollen, dass diese Theorie nicht weniger absurd ist als die Vorstellung eines Poltergeists: "Do you know how difficult it is to fake your own death? Only one man has pulled it off - Elvis." Auch die Gerichtsmedizinerin lässt Scully eiskalt abblitzen: "Howard Graves is very dead." Für meinen Geschmack ist Scully mit ihren Zweifeln hier zu einfach davongekommen. Selbst wenn es einen lebenden Graves oder einen anderen Komplizen gäbe, wie will sie denn bitteschön die von innen zerquetschten Luftröhren erklären?

Insgesamt hat mir die Episode recht gut gefallen, auch wenn sie nicht sonderlich originell oder innovativ ist. Insbesondere wie schon erwähnt die schauspielerische Leistung von Lisa Waltz, und auch einige Szenen sind sehr schön inszeniert - so z.B. im Badezimmer, als Lauren das Blut in der Badewanne vorfindet. (Auch wenn es mit der Logik hier ein bisschen hapert - wie schafft es der Poltergeist, die Badewanne mit Blut zu füllen? Wo kam das Blut dafür her?)

Mulder sorgt mit seinen Sprüchen wieder für den nötigen Humor. Vor allem das "I would never lie" (mit samtiger Stimme :lol:) und Elvis waren herrlich. Scully kommt natürlich wieder zu spät, um den schwebenden Einbrecher noch zu sehen - diesmal war ein klemmender Autogurt verantwortlich - und ist am Ende bei der Poltergeist-Action ausgesperrt. Witzig war auch, dass während Scully den Fall lösen will, Mulder viel lieber Psi-Phänomene beweisen will. Schönen Nostalgiefaktor hatte die Folge auch wieder. Informationen werden auf Mikrofiches von Zeitungen gesucht, Fotos in der Dunkelkammer entwickelt, es gibt Audiokassetten und Floppy-Disks ... hach, das waren noch Zeiten :grin: Knapp vier fliegende Briefbeschwerer von mir.

Fr 30. Nov 2018, 21:24

Re: Akte X - Staffel 1

Sa 1. Dez 2018, 15:31

Ich fand im Internet noch diese Besprechung hier: https://www.myfanbase.de/akte-x/episode ... s/?eid=261

Was mir an der Folge sehr gut gefallen hat, ist - neben der hervorragenden schauspielerischen Leistung von Lisa Walz als Laureen - ist etwas, was in der Horror-Literatur ja häufig vorkommt: dass Untote keine Ruhe finden, ehe sie gerächt sind bzw. sie eine Aufgabe gelöst haben. Es handelt sich ja hier in der Tat mit dem Poltergeist um ein übernatürliches Phänomen - der Ermordete findet keine Ruhe, ehe seine Tat aufgeklärt und der Mörder - hier der neue Inhalber der Firma, der illegale Waffengeschäfte weiterhin ungestört betreiben will - überführt worden ist. Klar, es fehlt hier etwas an Tiefe der vorhergehenden, zum Teil sehr politischen Episoden und auf Wunsch des Senders Fox wird hier das Grundelement des Horrors - das Eindringen des als bedrohlich empfundenen Übernatürlichen in eine reale Welt (Skully besteht darauf, einen Fall "real" - mit Hilfe der Rationalität - zu lösen, Mulder hat hier aber mal wieder den richtigen "Riecher", was die Lösung des Falles betrifft) - aber als Horrofilm - dank der Leistung von Lisa Walz - wirklich gelungen. Für mich ein wunderbarer Höhepunkt derGerichtsmedizinerin, die die Leiche von Howard Graves identifiziert hat: "Howard Graves ist sehr sehr tot!" - wie kann man nur an der Realität des Falles zweifeln? Der entsprechende Blick der Frauspricht Bände. Und auch die Kaffeetasse, die immer wackelt, wenn Laureenvon der forschen Sekretärin angeschnautzt wird - zu Beginn und am Ende der Folge - ist einfach herrlich! Wie hier das Geister-Genre durchaus humorvoll " selbstironisch reflektiert wird - dies hat mir sehr gefallen.
Fazit: Nichts tiefgehend politisch- oder philosophisches (der politische Waffenhandel ist ja nur Auslöser, Katalysator der Handlung), aber durchaus eine Folge, die begreiflich macht, dass das Eindringen der Fantasy in die reale Welt - also das "Phantastische" als "Bedrohung" gesehen, sehr faszinierend sein kann. Und doe Vorstellung, dass Untote so lange keine Ruhe finden, bis ihr Unrecht "gerächt" wurde - für mich die Faszination der Geschichten von Edgar Allan Poe, einem Begründer des Unheimlichen - kommt hier voll zum Tragen.

Re: Akte X - Staffel 1

So 2. Dez 2018, 23:51

Folge 7, Staffel 1: "Die Maschine / Ghost in the Machine"

Drebuch: Alex Gansa & Howard Gordon
Regie: Jerrold Freedman



Mulder wird von einem ehemaligen Kollegen herbeigerufen, der den Tod des Geschäftsführers eines Software-Unternehmens untersuchen soll. Hauptverdächtiger ist der Firmengründer, dessen wichtigstes Projekt, ein intelligentes Programm, das ein ganzes Hochhaus im Stil eines Smart Home steuern kann, der Geschäftsführer einstellen wollte. Allerdings kommt es zu weiteren Todesfällen, nachdem der Firmengründer schon verhaftet wurde.

"Ghost in the Machine" hat unter X-Philes im Allgemeinen einen ziemlich schlechten Ruf, und aus dem Blickwinkel der heutigen Technologie wirkt die Folge natürlich auch recht antiquiert. Eine richtige X-Akte ist sie auch nicht, an der Technologie ist ja an sich nichts Übernatürliches. Es geht um eine künstliche Intelligenz, die tötet, um sich selbst zu schützen. Leider wird diese eigentlich interessante Idee nicht wirklich tiefergehend thematisiert - die Episode kommt eher technophob daher, als ähnlich wie in der neuen "Battlestar Galactica"-Serie tatsächlich die ethischen Fragen rund um das Thema "künstliche Intelligenz" zu thematisieren. (Gut, newBSG war auch 10 Jahre später.)

Wenn es ein tieferes Thema der Episode gibt, dann dreht es sich eher um die Konflikte, in denen der Firmengründer Brad Wilczek steckt. Wilczek, der etwas an Steve Jobs erinnert, ist der Prototyp eines Software-Pioniers - er hat die Firma in der Garage seiner Eltern gegründet und kommt ansonsten eher etwas hippie-artig daher: Er ist ein Jahr lang den Grateful Dead hinterher gereist und ist ein Fan fernöstlicher Philosophie. Ausgelöst wird das ganze Geschehen durch den Konflikt zwischen innovativem und visionärem Denken und wirtschaftlichen Zwängen: Der Geschäftsführer will das COS einstellen, weil es - zumindest kurzfristig gesehen - nicht profitabel ist. Wilczek regt dies auf, er ist eher der Visionär und langfristig denkende Stratege.

Weitaus problematischer ist der zweite Zwiespalt, in dem er steckt: Wilczek befürchtet, dass seine Erfindung in die Hände der Regierung gelangen und von dieser missbraucht werden könnte. "After the bomb was dropped on Hiroshima and Nagasaki, Robert Oppenheimer spent the rest of his life regretting he’d ever glimpsed an atom [...] He loved the work, Mr. Mulder. His mistake was in sharing it with an immoral government." Wilczek befürchtet, dass es ihm wie Oppenheimer geht, und geht deshalb lieber ins Gefängnis, als sein Wissen mit der Regierung zu teilen. (Es drängt sich hier die Frage auf, ob die Regierung irgendetwas mit dem Plan des Geschäftsführers zu tun hat, das COS aus Wirtschaftlichkeitsüberlegungen zu beenden. Dafür spricht auch, dass die ganze Zeit ein Regierungsmaulwurf als Hausmeister im Gebäude von Eurisko beschäftigt war.) Wilzcek bezeichnet das Risiko, dass die Maschine weiter tötet, als das geringere Übel. Als Wilzcek letztlich genau das passiert, was er befürchtet hat, sagt Deep Throat Mulder, er hätte dies nicht verhindern können, ohne die Maschine überleben zu lassen. Wie der Cliffhanger am Ende suggeriert, ist die Maschine entgegen Deep Throats Beteuerungen nicht außer Gefecht - somit ist durch Mulders Eingreifen die schlimmstmögliche Kombination möglicher Ausgänge eingetreten. Seine Unfähigkeit, Kompromisse zu machen und seine Sorge um die Sicherheit anderer sind Charaktereigenschaften, die leicht auszunutzen sind durch jene, die solche Skrupel nicht haben.

Das COS ist offensichtlich vom Supercomputer HAL aus "2001: A Space Odysee" inspiriert. Schon der Name mit drei Buchstaben ist ähnlich, und die Frage des COS "What are you doing, Brad?", als Mulder die Diskette mit dem Virus einführt, erinnert an HALs "What are you doing Ryan? Don't do this to me Ryan!".

Eine Parallele zu "Squeeze" weist die Episode auch auf: Nach Scullys ehemaligem Kommilitonen Tom Colton taucht hier Mulders ehemaliger Kollege Jerry Lamana auf, und will diesen ebenso wie Colton Scully als Steigbügelhalter benutzen. Er ist noch schlimmer als Colton, er stiehlt Mulders Profil-Notizen aus dessen Büro und präsentiert sie als seine eigenen. Erstaunlicherweise macht Mulder das nicht publik, er scheint Jerry wirklich helfen zu wollen. Die Autoren verwenden in dieser frühen Phase einigen Aufwand dafür, Mulder als diesen genialen Außenseiter darzustellen, der zu Unrecht von seinen Kollegen verlacht wird.

Mit der ganzen Verwicklung des Verteidigungsministeriums hat "Ghost in the Machine" mehr mit dem Mytharc zu tun, als ich beim ersten Durchlauf dachte. Ich kann mich dennoch nicht so recht mit der Episode anfreunden, was vielleicht vor allem an der Umsetzung liegt. Für das antiquierte Erscheinen aus heutiger Sicht kann die Serie nichts, aber ein paar Dinge, wie z.B. dass man sich in Scullys abgeschalteten Computer hacken kann, waren schon ziemlich schräg. (In Interviews gaben die Autoren zu, nicht viel von Computertechnik zu verstehen - dann frage ich mich, warum man nicht, wie sonst auch, einen Berater holte.) Oder dass man Scully hier durch Jeffreys Röhren, Entschuldigung, Luftschächte, kriechen ließ. Ich habe auch nicht ganz verstanden, weswegen es in Mulders Profil hieß, dass der Anruf in der Toilette dazu diente, sicherzustellen, dass Drake in die Falle geht. In dem Waschraum waren doch Überwachungskameras, also wusste das System doch auch ohne den Anruf, dass Drake da drin war? Die Schlussfolgerung war aus Mulders Sicht zu dem Zeitpunkt, als er das Profil verfasste, logisch, aber mit dem Wissen, dass das COS der Mörder war, ergibt sie rückwirkend keinen Sinn. Ich finde die Folge jetzt nicht wirklich schlecht, aber begeistern kann sie mich auch nicht. Ich gebe gute drei Überwachungskameras dafür.

Re: Akte X - Staffel 1

Mi 12. Dez 2018, 15:40

Wenn es ein tieferes Thema der Episode gibt, dann dreht es sich eher um die Konflikte, in denen der Firmengründer Brad Wilczek steckt. Wilczek, der etwas an Steve Jobs erinnert, ist der Prototyp eines Software-Pioniers - er hat die Firma in der Garage seiner Eltern gegründet und kommt ansonsten eher etwas hippie-artig daher: Er ist ein Jahr lang den Grateful Dead hinterher gereist und ist ein Fan fernöstlicher Philosophie. Ausgelöst wird das ganze Geschehen durch den Konflikt zwischen innovativem und visionärem Denken und wirtschaftlichen Zwängen: Der Geschäftsführer will das COS einstellen, weil es - zumindest kurzfristig gesehen - nicht profitabel ist. Wilczek regt dies auf, er ist eher der Visionär und langfristig denkende Stratege.


Das ist der Punkt, den ich am interessantesten an dieser Folge fand - dieser Konflikt zwischen wirtschaftlichen Zwängen und visionärem Denken - auch ich musste sofort an Steve Jobs denken, mir kam auch Albert Einstein in den Sinn. Explizit in der Folge erwähnt wird Robert Oppenheimer, dessen Biographie ich gelesen habe. Steckt auch in Mulder ein solcher Oppenheimer? Er wird in der Tat als genialer Außenseiter dargestellt, der es geschehen lässt, dass seine Ideen von einem früheren Kollegen gestohlen werden, denn er macht dessen Tun ja nicht publik. Zumindest ist der Missbrauch von Erfindungen und Ideen durch korrupte Personen bzw. allmächtige Regierungen - zumindest als Gefahr - Thema dieser Episode.
Ansonsten: ja, eine echte "Akte X"-Folge ist es wirklich nicht, denn es gibt hier nichts Übernatürliches. Vielleicht ist deshalb bei mir auch eine leichte Enttäuschung - oder falsche Erwartungshaltung? - an diese Folge zurückgeblieben. Auf jeden Fall macht die Anspielung an Robert Oppenheimer und die Thematik um Brad Wilczek klar, dass Kreativität eben auch furchtbare Folgen haben kann - und möglicherweise die Geister, die sie rief, nicht mehr kontrollieren kann. Ein immer aktuelles Thema, wie ich finde.

Re: Akte X - Staffel 1

Mi 12. Dez 2018, 16:26

Nein, die Erwartungshaltung war nicht falsch, die Episode ist einfach nicht gut. Von der Sorte gibts leider ein paar in Staffel 1. "Space", die ich grade schreibe, ist auch so eine, dafür sind "Ice" und "Eve" wieder richtig toll. Insgesamt ist das alles noch ziemlich uneben, auch die zweite Staffel hat noch ein paar Holperer.

Auf den Zusammenhang zwischen Mulder und Oppenheimer wäre ich jetzt nicht gekommen. :think:

Re: Akte X - Staffel 1

Do 13. Dez 2018, 13:28

Folge 8, Staffel 1: "Eis / Ice"

Drehbuch: Glen Morgan & James Wong
Regie: David Nutter



Von einer Forschungsstation in Alaska kommt eine letzte Videobotschaft, die zeigt, dass die Wissenschaftler scheinbar den Verstand verloren haben und sich gegenseitig getötet bzw. sich selbst umgebracht haben. Mulder und Scully reisen mit einem Forschungsteam zur Station und finden dort einen Parasiten, der den infizierten Wirt in einen mörderischen Wahnsinnigen verwandelt.

"Ice" ist jetzt von der Geschichte her keine wirklich originelle Episode, sie erinnert stark an John Carpenters "Das Ding aus einer anderen Welt", das seinerseits auf John W. Campbells klassischer Kurzgeschichte "Who goes there?" basiert. Eine außerirdische Bedrohung, die über tausende oder Millionen Jahre im ewigen Eis eingefroren war, wird zufällig von einem Forschungsteam entdeckt; der Organismus infiziert einen Wirt und verwandelt ihn in einem Mörder. Im Team breitet sich Paranoia aus, da man zusammen eingeschlossen ist und niemand weiß, wer infiziert ist. Den Drehbuchautoren Glen Morgan und James Wong zufolge war der konkrete Anlass zur Episode ein Artikel in "Science News" über
"...these guys in Greenland who dug something 250,000 years old out of the ice." The incident had namely involved the Greenland Ice Project and what the scientists had discovered, frozen in the ice, had been worms. The team had been drilling down to obtain some ice cores. "We thought, 'That's perfect. What if we do that?'" James Wong recollected. Morgan elaborated, "That ice had basically been the same for a quarter of a million years and so we said, 'Wow! What could be down there?' So with 'Ice', it was that article [that gave us the idea] [...] and also that worms are just horrible!"


Für Mulder und Scully sind die Geschehnisse in "Ice" der erste ernsthafte Test ihrer Partnerschaft. Mulder bringt sich mit einem seiner charakteristischen Alleingänge selbst in Verdacht (warum muss er sich allein im Finstern aufmachen und nachschauen, was im Camp los ist? Wieso holt er nicht gleich Scully dazu?). Spätestens, als die Heilungsmöglichkeit entdeckt wird (interessanterweise durch einen Fehler der Wissenschaftlerin), ist keineswegs mehr ausgemacht, dass er nicht der Infizierte sein kann. Doch das Dilemma ist klar: Ist Mulder infiziert, rettet man ihn damit, ihm den Wurm einzusetzen. Aber wenn nicht, dann infiziert man ihn damit erst und es gibt dann keinen Wurm mehr, der ihn heilen könnte.

Einer der Höhepunkte der Episode ist die Szene, in der beide mit der Waffe aufeinander zielen. Fantastisch inszeniert, und von beiden fantastisch gespielt. (Eine der zahlreichen Szenen in der Serie, die diejenigen wohl verpasst haben müssen, die Duchovny als "hölzernen Schauspieler" bezeichnen. Duchovny ist nicht hölzern, sondern Mulder ist ein sehr introvertierter Charakter, der nur selten seine Fassade fallen lässt.) Auffällig ist hier, dass Mulder Scully mehr vertraut als umgekehrt, er ist derjenige, der zuerst die Waffe runternimmt, und verdächtigt Scully zu keinem Zeitpunkt wirklich, infiziert zu sein.

Scully dagegen hat ihre Zweifel, wenn sie auch nie auf die Seite des Arztes wechselt, für den das ausgemachte Sache ist und der Mulder einfach im Eis zurücklassen würde. Ihr ganzes Verhalten erinnerte mich etwas an den Pilotfilm, wo sie in der Sache mit den Mückenstichen auch die Rationalität verließ und an den Rand der Panik geriet. Dennoch hat sie nachher den Mut, alleine in die Zelle zu dem vermeintlich infizierten Mulder zu gehen - die Szene erinnert ebenfalls an die erwähnte Mückenstich-Szene im Pilotfilm. Auch hier wird Scullys Zwiespalt zwischen Angst und Vertrauen-wollen und Mulders Vertrauen in sie, aber auch seine Verärgerung, von beiden Darstellern fantastisch herübergebracht.

Später in der Episode gibt es dann wieder eine der typischen Mulder/Scully-Diskussionen, in der die unterschiedliche Weltsicht der beiden deutlich wird: Sie will den Wurm vernichten, er will ihn untersuchen, um für mögliche zukünftige Infektionen Erkenntnisse zu gewinnen und auch am Ende der Episode will er nicht locker lassen und nochmal zurück in das Camp.

"Ice" ist eine Episode, bei der die Themen Vertrauen und Paranoia im Mittelpunkt stehen - und damit ein zentrales Thema der X-Akten insgesamt. Das zu Beginn der Episode zitierte "We are not who we are" - Figuren, die nicht das sind, was sie zu sein scheinen - zieht sich durch die ganze Serie.
Besonders in den später auftauchenden Gestaltwandlern, die das Aussehen von Freunden annehmen können, aber auch in den vielen Fällen, in denen Akteure durch fremde Kontrolle übernommen werden und nicht mehr sie selber sind.
Man ist gefangen mit Leuten, von denen man im Grunde nichts weiß, sie könnten Verbrecher oder Monster sein, oder unter fremder Kontrolle etwa durch Implantate stehen (so bereits im Pilotfilm). Die Wissenschaftler im Team trauen den FBI-Agenten nicht, weil diese für die Regierung arbeiten - einigermaßen ironisch, da niemand der Regierung gegenüber misstrauischer ist als der FBI-Agent Mulder. Die unterschwellige Paranoia in "Ice" gegenüber Regierungsautoritäten zeigt sich auch zum Ende der Episode, als die Forschungsstation von Regierungsmitarbeitern zerstört wird, bevor Mulder dahin zurückkehren und Beweise sammeln kann. Eine zwiespältige Angelegenheit - wurde die Station zerstört, um eine potenzielle Bedrohung von der Zivilisation fernzuhalten, oder handelte es sich um eine Vertuschungsaktion, um die Existenz eines außeridischen Organismus zu verbergen?

"Ice" ist trotz ihrer wenig originellen Prämisse eine der besten Episoden der ersten Staffel und wird oft als eine der besten der gesamten Serie bezeichnet. Gelungen sind vor allem auch die Nebenfiguren, die gleich bei der Vorstellung gut charakterisiert werden, so dass auch zu ihnen eine gewisse Verbindung für den Zuschauer geschaffen wird. Die schauspielerischen Leistungen von Duchovny und Anderson sind herausragend. Vor allem aber ist die Episode fantastisch inszeniert. Schon die Eingangsszene ist extrem dunkel, als die beiden verzweifelten Forscher erst miteinander kämpfen und dann Selbstmord begehen. Die ganze Episode hindurch ist die Atmosphäre klaustrophisch und vor allem die zweite Hälfte ist enorm spannend. Etwas "Foreshadowing" ist in der Episode auch drin, wenn auch nicht klar ist, ob das beabsichtigt war oder sich später eher so ergeben hat (vermutlich eher letzteres):
Die Würmer kamen mit einem Meteoriten aus dem All - wie auch Purity aka das schwarze Öl mit dem Absturz in der ehemaligen Sowjetunion.

Wenn es etwas zu kritisieren gibt, dann sind es einige logischen Fragezeichen, bspw. wie Da Silva infiziert wurde und wie sie den Geologen in den Eisschrank bekommen hat: Warum bekam außer der klappenden Tür niemand etwas davon mit, und warum wurde sie erst so spät aggressiv? Ihr ganzes Verhalten und die Darstellung der Tat passen nicht zu dem Verhalten der anderen Infizierten. Insgesamt jedoch eine sehr gelungene Episode, für die ich sechs außerirdische Würmer vergebe.

Re: Akte X - Staffel 1

Do 27. Dez 2018, 16:55

Folge 9, Staffel 1: "Besessen / Space"

Drehbuch: Chris Carter
Regie: William Graham



Mulder und Scully werden von einer NASA-Mitarbeiterin kontaktiert, die vermutet, dass jemand das Space Shuttle-Programm sabotiert. Der Besuch bei der NASA ist für Mulder die Erfüllung eines Kindheitstraums. Zu Beginn der nächsten Mission scheint zunächst alles nach Plan zu verlaufen, dann jedoch kommt es zu schweren technischen Störungen, und das Leben der Astronauten steht auf dem Spiel.

Die Episode ist durch reale Vorgänge inspiriert: Einerseits durch Berichte über das so genannte "Marsgesicht" (welches sich später als eine Felsenformation auf dem Mars erwies). Zum anderen durch sich häufende und unaufgeklärte Probleme bei der NASA, die in der Challenger-Katastrophe 1986 gipfelten, wodurch die NASA zunehmend in die Schlagzeilen und in die Kritik gekommen war. Von Mulder werden in der Episode mehrere Opponenten der NASA aufgezählt: Von Terroristen über Kritiker des Programms aus Kostengründen und Gegnern großwissenschaftlicher Projekte im Allgemeinen bis zu Regierungsverschwörern, die verhindern wollten, dass die NASA womöglich Beweise für die Existenz außerirdischen Lebens zutage fördert.

Prinzipiell ist die Prämisse interessant - die Untersuchung von merkwürdigen Vorgängen in der NASA, in Verbindung mit Mulders Kindheitsschwärmerei für die Einrichtung, liefert eine Menge Stoff, die auch mit der Mythologie von Akte X in Verbindung gebracht werden könnten, wie Mulders Ausführungen über die Gegner der NASA zeigen. Tatsächlich hat es in der Episode den Anschein, als wolle irgendjemand oder irgendetwas den Vorstoß der Menschheit verhindern, indem das Shuttleprogramm sabotiert wird.

Im Mittelpunkt des Geschehens steht ein früherer Astronaut, der Projektleiter Colonel Belt. Belt, der im Teaser gegenüber Reportern das Marsgesicht als das Resultat von Sonne und Wind und als "tricks of light and shadows" abtut, und die Idee, es handle sich um das Werk einer außerirdischen Zivilisation auf dem Mars, ins Reich der Fabeln verweist, wird tatsächlich von Erinnerungen und Alpträumen von eben diesem Gesicht verfolgt. Als Mulder und Scully ihn mit dem Sabotageverdacht konfrontieren, spielt er die Störungen herunter und weist nicht nur jeglichen Verdacht gegen Mitarbeiter der NASA weit von sich, sondern scheint dies geradezu als Beleidigung aufzufassen. Das verletzte Ehrgefühl scheint aber im Wesentlichen ein vorgeschobener Grund zu sein, weitere Untersuchungen abzulehnen. Hauptsächlich geht es um die Kosten, die ein Aufschub des nächsten Starts und eine gründliche Untersuchung des beschädigten Sicherheitsventils verursachen würden: Aufgrund der sich häufenden technischen Probleme und der hohen Kosten des Space Shuttle Programms sind die Kritiker der NASA im Kongress im Aufwind und es wird sogar die Schließung der gesamten Einrichtung befürchtet. Zwar geht der Start reibungslos vonstatten, kurz darauf jedoch verliert Zentrale die Verbindung mit dem Shuttle, die Kommunikationsoffizierin erleidet einen merkwürdigen Autounfall und an Bord des Shuttles fallen Systeme aus. Als sich herausstellt, dass die Kommunikation von Houston aus absichtlich gestört wird, ist klar, dass tatsächlich Sabotage im Spiel ist. Es stellt sich heraus, dass Colonel Belt seit seinem Aufenthalt im All vor vielen Jahren von einer außerirdischen Wesenheit besetzt war, die ihn zur Sabotage von NASA-Programmen trieb, um die Menschheit an der Erkundung des Alls zu hindern.

"Space" wird häufig als eine der schlechtesten Akte X-Folgen überhaupt bezeichnet, und auch das Produktionsteam inklusive dem Autor Chris Carter bezeichnen sie als "one of our most unloved episodes". Vielen geäußerten Kritikpunkten kann ich mich anschließen, einigen aber auch nicht. So finde ich nicht, dass die Episode und vor allem die Geschehnisse um das Shuttle und die Rettungsmission langweilig waren. Grade bei den X-Akten kann man nicht davon ausgehen, dass so etwas tatsächlich gut ausgeht. Ich fand die Sabotagevorfälle glaubhaft, ebenso den Konflikt Belts zwischen der Rettung der Astronauten und dem Risiko, dass die NASA in weitere Schwierigkeiten kommt, und mir hat auch gut gefallen, dass die Folge der NASA nicht nur mit blinder Heldenverehrung gegenüber steht. Auch die Gastdarsteller Ed Lauter als Colonel Belt und Susanna Thompson als Michelle Generoo fand ich überzeugend.

Trotzdem sind andere Kritikpunkte an der Episode auch berechtigt. Ein Teil davon liegt an der Inszenierung und den technischen Möglichkeiten. Die Special Effects, insbesondere um das Marsgesicht, sind selbst für damalige Verhältnisse schwach (offenbar ließen weder das Budget noch die verbliebene Zeit eine weitere Bearbeitung zu) und die Regie versäumt es, diese Probleme zu überdecken. Generell ist das Ganze etwas lustlos inzeniert, was zum Teil daran liegen mag, dass den Showrunnern von der NASA die Möglichkeit verwehrt wurde, die Geschehnisse innerhalb des Shuttles zu zeigen.

Abgesehen von diesen eher technischen Problemen hat aber auch das Drehbuch schon ziemliche Schwächen. Das fängt an bei Carter-typischen Dialogschwächen; hier ist es vor allem Mulder, der in einem Overload an Exposition für die Zuschauer den Erklär-Bären geben muss (insbesondere in den Anfangsszenen, als Scully nach Gründen fragt, die NASA abzulehnen, aber auch später im Kontrollraum). Auch logisch hat das Drehbuch Probleme. So ist mir schleierhaft, weswegen man am Ende glaubt, dass der Raumgeist mit Colonel Belts Tod verschwunden ist, da er doch offensichtlich unabhängig von Belts Körper agieren kann - als Generoo den Autounfall hatte, war Belt nirgendwo in der Nähe. Und war Belt auch verantwortlich für die anderen Sabotage-Fälle in der NASA? Die Episode scheint das zu implizieren - was bedeuten würde, dass die Challenger-Katastrophe auf das Konto von Raumgeistern ging. Akte X betreibt des Öfteren eine Art alternativer Geschichtsschreibung, aber offen ausgesprochen wird diese Vermutung in diesem Fall nicht. In "NASA/Trek" argumentiert Constanze Penley, es handle sich bei "Space" um einen bissigen Kommentar zu den unbefriedigenden Erklärungen der NASA angesichts diverser Pannen und Katastrophen:
In my favourite episode, agents Scully and Mulder discover why the Challenger blew up, the Mars Observer disappeared, Galileo’s antenna got stuck, and the Hubble’s lenses were misground: they were all sabotaged by a former astronaut, now a high-up bureaucrat at NASA, whose body was taken over by an alien on one of the late sixties space flights. Why are aliens sabotaging every NASA attempt to go into space? "They" don’t want us out there, of course – it’s theirs! The X-Files taunt to NASA seems to be, "If you keep on covering up or downplaying your mistakes, we’ll create our own ingenious reasons for this sorry record." Or, "Our fictional alibi (the aliens did it) to account for all the NASA screw-ups is no more outrageous than the excuses you’ve contrived."

Es kann natürlich sein, dass das die Motivation der Episode war, aber wirklich überzeugt bin ich davon nicht.

Schließlich scheint die Episode auch überhaupt nicht in den Mytharc zu passen. Aliens dieser Art waren weder davor noch danach in der Serie zu sehen; die Chance, einen Zusammenhang mit den Ereignissen oder Themen oder Motiven der Aliens im übergeordneten Handlungsbogen herzustellen, wurde hier nicht ergriffen. So bleibt "Space" eine reine Stand-Alone-Episode. Als solche finde ich sie zwar einigermaßen unterhaltsam, aber mehr auch nicht. Ich gebe drei Raumgeister dafür.

Re: Akte X - Staffel 1

Mi 2. Jan 2019, 13:13

Ja, in der Tat eine leider schwache Episode.
Und war Belt auch verantwortlich für die anderen Sabotage-Fälle in der NASA? Die Episode scheint das zu implizieren - was bedeuten würde, dass die Challenger-Katastrophe auf das Konto von Raumgeistern ging.


Vielleicht war dies das "Hauptanliegen" der Regisseure? Über so etwas nachzudenken? Schade, vertane Folge.

Re: Akte X - Staffel 1

Mi 2. Jan 2019, 13:32

Naja, der Regisseur hat im TV-Bereich - verglichen mit dem Film - eher weniger zu melden. Da muss man schon die Produzenten und Drehbuchautoren in Haftung nehmen.

Generell glaube ich, dass dieses in den 90ern übliche Format von 20 oder noch mehr Episoden pro Staffel die Produktionscrews einfach überforderte. Es gibt kaum eine Serie, die nicht mehrere Streichkandidaten in den Episoden hat, vor allem in den frühen Staffeln, wenn das Team noch nicht eingespielt ist und auch das Budget sehr knapp ist. Man merkt auch v.a. gegen Ende der Staffeln immer wieder, dass sowohl Schauspieler als auch Autoren "ausgebrannt" wirken. Die heutige Gepflogenheit von 10-15 Episoden pro Staffel macht sich da deutlich positiv bemerkbar.

Re: Akte X - Staffel 1

Mi 2. Jan 2019, 14:55

Stimmt. Es sind die Drehbuchautoren. Möglicherweise auch das Fehlen einer literarischen Vorlage. Man merkt dies ja etwa bei "Game of Thrones". Bis Staffel 4 o.k., dann ab Staffel 5 einzelne sehr gute Episoden (z.B. Hartheim), aber dann Episoden, bei denen man denkt: man merkt, dass da kein Autor ist.
Antwort schreiben




Bei iphpbb3.com bekommen Sie ein kostenloses Forum mit vielen tollen Extras
Forum kostenlos einrichten - Hot Topics - Tags
Beliebteste Themen: Kino, Spiele, TV, Erde, Serien

Impressum | Datenschutz