Mi 23. Jul 2008, 12:34
Vorabversion der Übersetzung - vorbehaltlich Korrekturen von frared:
Obi-Wan als Mentor
Über Palpatines Einfluss auf Anakin wurde viel gesagt, aber hat er nicht sehr viel mehr Zeit mit Obi-Wan verbracht? Dies ist vor allem eine Gelegenheit, seine Vorgehensweise bei seinen beiden Schülern zu vergleichen. Im Kontext der Saga sind beide Schüler etwa im gleichen Alter, bzw. er unterrichtet sie etwa im selben Alter in den Filmen. Sie sind dabei, aus dem Teenageralter herauszuwachsen, aber die Zeit, die Obi-Wan als Lehrer mit ihnen verbringt, wird Lukes Fall durch Obi-Wans Tod abgekürzt, während sie in Anakins Fall über die eigentliche Lehrzeit hinaus verlängert wird.
Es gibt einige Schlüsselszenen, die Obi-Wans Unterrichtstil in beiden Fällen veranschaulichen.
Die Arroganz, immer im Recht zu sein
Als wir sie in „Angriff der Klonkrieger“ sehen, wissen wir, dass Obi-Wan bereits 10 Jahre mit Anakin verbracht hat (das Schülerverhältnis unter seiner Führung begann in „Die Dunkle Bedrohung“), in einem sehr persönlichen Ein-Schüler-Ein-Lehrer-Verhältnis – wie es die Art der Jedi ist. Zuerst sehen wir ihn mit Anakin in einem Aufzug, als er versucht, Anakin zu beruhigen, weil dieser angespannt wirkt.
Obi-Wan deutet auf subtile Weise an, dass er weiß, dass Anakins Anspannung durch das bevorstehende Treffen verursacht ist. Die Szene verdeutlicht, dass die beiden einander gut kennen. Sie sind durch Freundschaft und Zuneigung verbunden.
Obi-wan: Du scheinst ein bisschen nervös zu sein, Anakin.
Anakin: Überhaupt nicht.
Obi-wan: Ich habe dich nicht so nervös erlebt, seit wir in dieses Gundark-Nest gefallen sind.
Anakin: Du bist in diesen Alptraum gefallen, Meister, und ich habe dich gerettet, erinnerst du dich?
Obi-wan: Oh ja. (sie lachen) Du schwitzt. Immer mit der Ruhe. Tief durchatmen.
Anakin: Ich habe sie seit zehn Jahren nicht gesehen, Meister.
Obi-wan: Sie ist keine Königin mehr, Anakin.
Anakin: Das ist es nicht, warum ich nervös bin.
Das nächste Mal, als wir Anakin sehen, ist er in einer politisch wichtigeren Situation. Die zwei sollen Senatorin Amidala beschützen – an der nicht ganz zufällig Anakin auch persönliches Interesse hat und die durch einen Anschlag bedroht ist.
Das folgende Treffen mit der Senatorin und ihrem Gefolge bringt ein paar Risse in der glänzenden Oberfläche von Freundschaft und Fürsorge zum Vorschein. Als sie die Senatorin treffen, macht Obi-Wan den Eindruck, dass er mit seinem Schüler keine Geduld hat. Sein Verhalten gegenüber seinem Schüler („Wir werden das nicht noch mal durchexerzieren, Anakin. Du wirst meiner Führung folgen. ”) erweckt den Eindruck, dass dieses Muster des Schülers, der den Lehrer unterbricht, bereits Routine ist. Das ist aus zwei Gründen alarmierend: a) offensichtlich hat Obi-Wan als Lehrer nicht darüber nachgedacht, wie er mit dieser Situation umgehen und den Konflikt abbauen soll, und b) seine Vorgehensweise scheint dem Schüler keinen Raum zu lassen, seine eigenen Gedanken und Ideen zum Ausdruck zu bringen.
Der Verlauf lässt Obi-Wans Kompetenz als Mentor fraglich erscheinen. Nicht nur hört er seinem Schüler nicht zu, er macht auch den Eindruck, als sei er nicht reif und ausgeglichen genug, um mit einem eigenwilligen und ungeduldigen Schüler wie Anakin Skywalker umzugehen.
Es gibt dafür natürlich vielerlei Gründe. Wie in jedem Kommunikationsmuster stammen sie aus verschiedenen Quellen. Für den Moment genügt es festzustellen, was immer die Gründe sind, Obi-Wan kommt nicht auf Idee, seine eigene Strategie und Vorgehensweise in Frage zu stellen, er erkennt nicht seine eigenen Defizite – eine Eigenschaft vieler reaktionärer Denkschulen.
Anakin hat, einfach gesagt, eine andere Vorstellung von der Bewachung der Senatorin:
Obi-wan: Wir werden unseren Auftrag nicht überschreiten, mein junger Padawan Schüler.
Anakin: Warum?
Obi-wan: Was??!!
Angesichts der peinlich berührten Gesichter überall sollte Obi-Wan eigentlich merken, dass diese Reaktionen auch eine Kritik an seiner Arbeit sind. Unterschwellig merkt er es vielleicht – aber die Art, wie er auf die Situation reagiert, ist unangemessen und deutet auf Unreife und verletztes Ego hin.
Seine Vorgehensweise kann nicht als überzeugend oder geschickt angesehen werden, weil es in der Realität sehr erschöpfend und anstrengend ist, sie durchzuhalten. Natürlich wird es dem Uneingeweihten so erscheinen, als müsse Obi-Wan Anakin an seine Autorität erinnern – aber was er mit dieser Strategie erreicht, ist, dass er den negativen Aspekt eines autoritären und hierarchischen Systems durchsetzt, nämlich Gehorsam.
Im Allgemeinen kann Autorität größere Kompentenz in einem Bereich oder größere Expertise in einer Situation bedeuten. Autorität wird oft mit Alter und Reife gleichgesetzt, und damit automatisch zugesprochen. Dies führt oft zum blinden Folgen eines Führers, was in einer vermeintlich erleuchteten Organisation wie dem Jedi Orden keine Option sein sollte. Statt dessen kann man aus diesem Beispiel aus Obi-Wans Unterricht das Ausmaß der Indoktrination entnehmen, der Obi-Wan selbst ausgesetzt gewesen sein muss, oder, wenn das weit hergeholt klingt, man bekommt einen Eindruck, wie sehr Obi-Wan selbst fürchtet, die Kontrolle über seinen Schüler und vor allem die Situation zu verlieren. In einem sehr abstrakten Sinn kann Obi-Wan seinen Status nicht loslassen. Er fürchtet nichts mehr, als nicht mehr überlegen und allwissend zu sein, weshalb er sich noch stärker an seine vermeintliche Autorität klammert. Es ist eine sehr verbreitete Eigenschaft junger und unerfahrener Lehrer: sie setzen ihre Autorität wieder und wieder durch, nur um sie zu beweisen. Es spricht von großer Unsicherheit angesichts eines ungewöhnlichen Schülers wie Anakin Skywalker (Anakin selbst erklärt später dem Publikum und Padme, dass er von seinem Mentor als „unberechenbar“ bezeichnet wird. Der Bezug ist offensichtlich: Anakin verhält sich nicht regelkonform, so wie Obi-Wan sich das wünscht). Die Autorität und Macht, die ein Mentor hat, liegt mehr in der Fähigkeit, zurückzutreten und dem Schüler zu erlauben, einen Wissensbereich oder eine Situation selbst zu erkunden.
Ein gutes Beispiel für Obi-Wans Vertrauen auf Autorität – sowohl im Hinblick auf den Gehorsam, den er seinem eigenen Schüler beibringen will, als auch im Hinblick auf Gehorsam gegenüber dem Rat:
Obi-wan: Ich bin sicher, dass der Jedi Rat seine Gründe hat.
Obi-wan: Wir werden das nicht noch einmal durchexerzieren. Du wirst meiner Führung folgen.
Obi-Wan ist bereit, soweit zu gehen, den Schüler zum Schweigen zu bringen und ihn davon abzubringen, seine Meinung zu äußern, um selbst das letzte Wort zu behalten. Er greift sogar zu einer Drohung:
„Wir werden tun, was der Rat uns angewiesen hat, und du wirst begreifen, wo dein Platz ist, Junge.“ Es ist nicht wirklich wichtig, wie oft das vorkommt. Für eine sensible Person kann eine Demonstration der Autorität über alles ausreichen. Es spricht für Anakins geistige Stärke und seine Sturheit, dass er immer noch kein Blatt vor den Mund nimmt und redet, auch wenn er es nicht sollte. Empfindlichere Leute wären unter dieser Art von Unterdrückung hochgradig unterwürfig geworden.
Dies ist eine subjektive Beurteilung von Obi-Wans Fähigkeiten als Mentor, aber unterrichten ist ein hochgradig individueller Akt – und seine Einzigartigkeit sollte durch individuelle Methoden und Strategien bestätigt werden.
Es gelingt am besten durch Reflektion über persönliche Handlungen. Wenn unerwünschte Situationen entstehen, ist es Teil der Aufgabe des Lehrers, zu reflektieren, was falsch lief. Diese Abweichungen stehen mit erwünschten und unerwünschten Ergebnissen in Verbindung, einer subjektiven und amoralischen Kategorie.
Ohne hier allzu sehr ins Technische gehen zu wollen – wenn das erwartete Ergebnis nicht dem entspricht, was tatsächlich passiert, ist es von entscheidender Bedeutung, zu überlegen, was bei der Interaktion beider Beteiligten geschehen ist. Der Ansatz, ständig dem Anderen die Schuld zu geben, wird nicht zu neuem und konstruktivem Lernen führen, da die persönlcihe Haltung nicht berücksichtigt wird. Interaktion beinhaltet zumindest zwei Personen.
In jedem Fall ist es fast immer besser, nichts durchsetzen zu müssen. Ansonsten basiert das Lehrsystem darauf, Furcht vor Bestrafung aufzubauen, und es wird vermutlich keine eigenen Erkundungen oder interne oder externe Fortschritte inspirieren. Langfristig wird der Schüler beim Gehorsam bleiben und sich nicht auf Persönlichkeitsentwicklung und die Erkundung von Sinnhaftigkeit in der eigenen Umgebung über das hinaus einlassen, was der Mentor vorgegeben hat.
Kurz gesagt ist dieser Ansatz diametral der humanistischen Strategie entgegengesetzt, die Montaigne in seiner Metapher beschreibt, man solle dem Schüler in seinen Fusstapfen folgen um zu lernen, wie er/sie marschiert.
“Es ist nützlich, wenn der Lehrer dem Schüler erlaubt, vor ihm herzutrotten, denn durch das Betrachten des Wegs, den er geht, wird er beurteilen können, wie sehr er sich zurückziehen muss, um sich an die Stärken des Schülers anzupassen. Wenn wir das richtige Verhältnis verfehlen, verderben wir alles. Es zu finden und entsprechend zu handeln ist eine der schwersten Aufgaben, die ich kenne: nur ein hoher und unglaublich starker Geist ist imstande, sich auf den kindlichen Gang des Schülers einzustellen und ihm gleichzeitig als Schrittmacher zu dienen.“ (1)
Diese Strategie wird sich für eine individuelle Beurteilung jedes Schülers auszahlen, und das ist es, was im Zentrum guten Unterrichtens steht.
Im weiteren Verlauf des Szenarios begegnen wir ihnen wieder in einem privateren und weniger exponierten Moment: (Anakin ist von Padmes Reaktion enttäuscht)
Obi-wan: Anakin, du konzentrierst dich schon wieder auf das Negative. Pass auf deine Gedanken auf. Sie war froh, uns zu sehen.
Ohne auch nur viel über den Kontext dieses Zitats zu wissen, kann ich schon eine ganze Anzahl von Dingen daraus ableiten. Dies erweckt wieder den Eindruck, als sei es Teil von Anakins Routine. Nicht nur ist es Teil von Anakins Routine, es ist auch Teil dessen, was Obi-Wan als Anakins Routine betrachtet. Entsprechend überlässt er es seinem Schüler, herauszufinden, warum er auf das Negative fixiert ist. Obi-Wan erwähnt das möglicherwise Positive, indem er sagt, sie sei froh gewesen, sie zu sehen, was wiederum als Aussage nur bekräftigt, dass er in seiner höheren Weisheit mehr weiß als sein Schüler. Es gelingt ihm auch nicht, seine Aussage greifbarer zu machen, vielleicht indem er erklärt, warum er glaubt, dass sie froh sei. Die Aussage klingt deshalb hohl.
Es ist ironisch, dass für Obi-Wan klar ist, dass Anakin „auf das Negative fixiert ist“, auch für Obi-Wan selber gilt – im Hinblick auf seinen Schüler. Obi-Wan beachtet überhaupt nicht dessen eigene Weisheit. Es ist ein äußerst scheinheiliger Akt: nicht zu praktizieren, was man predigt.
Später im Film, als sie wieder allein sind, können wir auch einen Blick auf Obi-Wans Fähigkeiten bei Belehrungen werfen. Auch hier wieder erweckt Anakins Reaktion, dass dies bereits zur Routine geworden ist:
Obi-wan: Pass auf deine Gedanken auf, Anakin, sie verraten dich. Du bist dem Jedi-Orden eine Verpflichtung eingegangen ... eine Verpflichtung, die man nicht einfach bricht ... und vergiss nicht, sie ist Politikerin. Denen darf man nicht trauen.
Anakin: Sie ist nicht wie die anderen im Senat, Meister.
Obi-wan: Meiner Erfahrung nach achten Sentoren nur darauf, die zufriedenzustellen, die ihre Kampagnen bezahlen ... und sie sind mehr als gewillt, die Nettigkeiten der Demokratie zu vergessen, um dieses Geld zu bekommen.
Anakin: Nicht noch eine Vorlesung, Meister. Nicht über politische Ökonomie ... es ist zu früh am Morgen ... und außerdem verallgemeinerst du. Der Kanzler scheint nicht korrupt zu sein.
Obi-wan: Palpatine ist ein Politiker. Ich habe beobachtet, dass er sehr geschickt die Passionen und Vorurteile der Senatoren ausnutzt.
Obi-Wan hat das Herz auf dem rechten Fleck. Er will seinen Padawan Schüler vor den Fallstricken und Täuschungen durch Leute warnen, die als Politiker agieren. Das wäre eine berechtigte Lektion in jedem Lehrplan. Sie besteht in Kritik von Autoritäten und dies ist entscheidend, um einen Sinn für Moral und Gerechtigkeit aus sich selbst heraus zu entwickeln.
Nur, die Methode, die er dabei anwendet, seinen Schüler darin zu unterrichten, indem er ihn zum Schweigen bringt und seine Gegenargumente nicht beachtet, steht dem, was er erreichen will, diametral entgegen. Das Denken, das er motivieren will, darf nur seinem eigenen Gedankengang folgen, egal was Anakin hervorbringt. Anakin geht sogar soweit, seinen Mentor herauszufordern.
„Du verallgemeinerst.“ Seine Entgegnungen,
„der Kanzler scheint nicht korrupt zu sein“ und
„Sie ist nicht wie die anderen im Senat“, die beide auf seinen eigenen Wahrnehmungen und nicht auf Verallgemeinerungen basieren, werden von Obi-Wan vollkommen ignoriert. Und doch sind sie berechtigt. Obi-Wan, andererseits, praktiziert eine pragmatischere Vorgehensweise, in dem er erst verallgemeinert
„Politikern darf man nicht trauen“ und später die Einwände seines Padawans abweist mit „
Ich habe beobachtet ...“. Die Szene endet relativ abrupt, weil ihr Auftrag endlich konkretere Gestalt annimmt.
Was man aus diesem Austausch ableiten kann, ist, dass die Methode, mit der Obi-Wan seinem Schüler kritisches Denken beibringen will, darauf basiert, ihm zu diktieren, was er denken soll. Es wäre statt dessen viel herausfordender, sich den Beobachtungen und Empfindungen seines Schülers zu stellen und mit Argumenten einen Weg aus der Situation zu finden. Er aber stellt seine eigenen Beobachtungen fest, und obwohl Anakin sie kritisiert und gewillt scheint, die Angelegenheit zu diskutieren (wie im früheren Austausch offensichtlich mit der Frage: Warum?), erlaubt Obi-Wan das nicht. Statt dessen wiederholt er nur seinen Standpunkt.
Nur um dies zu klären, es gibt nicht den einen Weg, kritisches Denken zu unterrichten. Montaigne drückte es vielleicht am besten aus:
“Der Lehrer sollte den Schüler besser ermutigen, alles durch sein eigenes Sieb zu pressen, und nicht etwas einfach kraft Autorität und Reputation präsentieren. Aristoteles Theorems sollen keine Theoreme für den Schüler sein, ebenso wie die Epikuräischen oder die Stoischen nicht. Man sollte eine Vielfalt von Ansichten präsentieren: er wird dann, wenn er kann seine eigene Wahl treffen; wenn nicht, wird er weiterhin zweifel – nur Narren sind immer sicher und erstarrt. ” (1)
Es scheint dennoch eine sinnvolle Annahme, dass eine einzige Sichtweise zu lehren das Denken eines Schüler nicht im Mindesten fordert. Nach dem Merriam-Webster’s Collegiate Dictionary ist die Definition von „Indoktrination“ das Unterrichten von Fundamenten und Grundsätzen durchtränkt mit einer üblicherweise parteiischen oder sektiererischen Meinung (2), was nahe legt, dass es Meinungsvielfalt entgegensteht.
Man könnte seine Vorgehensweise zusammenfassen als eine autoritäre und reaktionäre Arroganz, die eine dominante Position über seinen Schüler annimmt, was verursacht ist durch große Unsicherheit und eine Umgebung, die von sich aus bereits von kritischem Denken, das über das Gelehrte hinausgeht, abbringt.
Das Unterrichten einer Neuen Hoffnung
Mit all dem im Hinterkopf über die zwanzig Jahre, die zwischen Episode 2 und 4 vergangen sind, und auch unter Berücksichtigung dessen, was stattgefunden hat, wäre es kaum überraschend, wenn Obi-Wan sowohl seine Sichtweise der Realität als auch seinen Umgang mit Menschen geändert hätte.
Wir begegnen ihm zuerst als dem ‚verrückten alten Einsiedler’, als er Luke hilft, die Sandleute zu bekämpfen. Er erzählt Luke, was er als notwendig erachtet, um ihn dazu zu bringen, der Rebellion zu helfen. Sein Ziel ist nicht sehr klar, denn er sagt Dinge, die eher eine Interpretation als die Wahrheit zu sein scheinen, z.B. sagt er
“ein junger Jedi namens Darth Vader […] verriet und ermordete deinen Vater.” Natürlich muss man, wenn man Episode 1 bis 3 schon gesehen hat, am Verstand des alten Ben zweifeln, aber tatsächlich scheint das der erste Schritt hin zu einer relativistischeren Weltsicht zu sein.
Unnötig zu sagen, dass sein Umgang mit Luke auch dazu dient, Qui-Gon Jinns Begegnung mit den kleinen Jungen, der Anakin Skywalker einst war, zu reflektieren und verstärken. Dies hat hier nicht viel zu bedeuten; dennoch weiß ich Lucas Vorgehensweise, die beiden Trilogien als Spiegelbilder der jeweils anderen aufzustellen, zu schätzen. Es ist aber an dieser Stelle interessanter zu untersuchen, wie er das Ziel, Luke dazu zu bewegen, seine Flugkünste zur Nutzen der Rebellen einzusetzen, handhabt.
Ben Kenobi, als den wir ihn nun kennen, erzählt Luke von der Macht, im Interesse, dass Luke sich ihm bei seinem Auftrag, R2 nach Alderaan zu bringen, anschließt. Werfen wir einen Blick darauf, wie er das tut:
„Lerne über die Macht, Luke.“ Eine sehr einfache und schlichte Aussage, die Lukes Implikation folgt, er habe Wichtigeres zu tun, als auf diese Reise zu gehen. Die Einfachheit ist noch offensichtlicher in seiner nächsten Aussage:
“Du musst natürlich tun, was du für richtig hältst. ”
Diese schlichte Aussage hebt den ganzen Rest von Obi-Wans Unterricht in Episode 4 auf ein geniales Niveau, denn er erlaubt Luke, die Entscheidung zu treffen, was für die Entwicklung von Urteilsvermögen und Unabhängigkeit ausschlaggebend ist. Mit anderen Worten, Obi-Wan präsentiert eine Möglichkeit, überlässt es aber letztendlich seinem Schüler, zu entscheiden, was er tun will. Es vermittelt auch auf brilliante Weise die Vorstellung, dass das ultimativ Richtige nicht existiert, ebenso wie das ultimativ Falsche nicht existiert. Beide sind relativ zur Situation und den Umständen, und, wie er sagt, unseren Empfindungen. Indem er Luke diese Wahl lässt, unterrichtet er Verantwortlichkeit und das Treffen von Entscheidungen. Und er vermittelt Luke Vertrauen in seine eigenen Überlegungen und Urteile, was im größeren Zusammenhang der Saga entscheidend ist.
Später, an Bord des Millenium Falken, erteilt er Luke seine erste Lektion mit der Macht (eine Parallele zu Yodas Unterricht der Kinder in Episode 2). Obi-Wan versucht, Luke dazu zu bringen, sich weniger auf sein rationales Denken zu verlassen.
„Deine Augen können dich täuschen. Traue ihnen nicht.“ Er will, dass sich Luke statt dessen auf seine Empfindungen konzentriert. „Strecke deine Empfindungen aus“. Die Schlichtheit ist wieder erstaunlich. Als Luke dies tut und anscheinend seine Empfindungen einsetzt, gelingt es Obi-Wan, ihn zu loben:
“Siehst du, du kannst es.” Was in seiner Schlichtheit nicht missverstanden werden kann, und es ist auch eine willkommene Abweichung, denn Anakin konnte er nicht loben.
Luke: Weißt du, ich habe etwas gefühlt. Ich konnte die Sonde beinahe sehen.
Ben: Das ist gut. Das ist der erste Schritt in eine größere Welt.
Auch hier wieder Ermutigung und Schlichtheit.
Die Schlichtheit, auf die ich hier immer wieder hinweise, soll nicht bedeuten, dass jeglicher Unterricht einfach sein muss, damit man ihn verstehen kann. In diesem speziellen Zusammenhang soll es auf eine Bescheidenheit hinweisen, die zum Bestandteil von Obi-Wans Unterricht wurde. Er ist nicht mehr seiner selbst sicher, er nimmt nicht mehr auf arrognate Weise eine überlegene Position ein, und er hat keine Angst mehr, dass andere Leute andere Entscheidungen treffen als er selbst.
Es ist nicht das letzte Mal in diesem Film, dass wir ihn unterrichten sehen; er wird seinem Schicksal und Untergang mit Darth Vader auf dem Todesstern begegnen, und er wird Luke und seinem Vater Anakin eine Lektion in Sachen Macht und Weisheit erteilen, indem er sein Leben opfert. Die Reaktionen von Luke und Anakin setzen eine Kettenreaktion von Ereignissen in Gang, die den Niedergang des Imperiums herbeiführen. Als Lehrer gibt er damit alles, um eine Lektion zu unterrichten. Und er tut das, indem er den eleganten und ansprechenden Weg wählt, implizit zu demonstrieren, statt mit Worten zu unterrichten.
Quellen:
(1) Michel de Montaigne: Montaigne für Lehrer. Eichborn, Frankfurt am Main, 2004. (Rückübersetzung vom Engl. ins Deutsche, da deutsche Version momentan nicht verfügbar ist).
(2) Merriam-Webster’s Collegiate Dictionary. 10 Ed, Merriam-Webster’s Inc, Springfield Mass., 1993.
Online versionen des Skripts:
http://www.xs4all.nl/~johanw/
Zuletzt geändert von nevermore am Fr 25. Jul 2008, 20:09, insgesamt 5-mal geändert.