Kurt Bracharz "Für reife Leser"




Zeitgenössische Literatur, Comics, Poesie

Kurt Bracharz "Für reife Leser"

Beitragvon Gast » Fr 3. Apr 2009, 20:44

Kurt Bracharz ?Für reife Leser?

Der Mensch ist bekanntlich ein Gewohnheitstier und das ist im Falle dieser Lektüre auch gut so. Andernfalls würde man wahrscheinlich nicht über die ersten zwanzig Seiten hinauskommen.

In Tagebuchform und kurzer, prägnanter Alltagssprache ohne viel Schnörkel und Klimbim berichtet der Autor über seine Leseabenteuer.
Er wählt anfangs genau zwölf Bücher aus, die er in ebenso vielen Monaten lesen will, hat aber auch über jede Menge Zwischenlektüren, Filme, Erlebnisse, Literaten und vieles mehr stets etwas zu berichten. Dabei schreibt Kurt Bracharz so, wie er denkt, verworren, in vielen Sprüngen, zusammenhanglos und doch mit einem Sinn dahinter, denn v.a. die scheinbare Unordnung seiner ?Materialsammlung?, wie sein Werk nach eigenen Angaben von einem Leser betitelt wurde, macht es lesbar und wendet die Gefahr ab, dass aus diesem Projekt eine staubtrockene Abhandlung werden könnte.
Andererseits verwendet Bracharz etliche Vergleiche, erwähnt viele Bücher, formuliert geschickte Anspielungen, die einem in manchen Fällen aufgrund fehlender Kentnisse nicht klar und sinnvoll erscheinen, was wohl erheblich zu der Unordnung beiträgt.

Während er ersten Hälfte des Buches fragt man sich nicht selten, warum man es liest und trotzdem kann man nicht aufhören, weil man Gefallen an den sprunghaften Gedankengängen Bracharz` findet. Man fühlt sich unmittelbar angesprochen, einbezogen, ganz so, als würde der Autor mit einem selbst diskutieren und erfährt Inspiration, Anregungen und Zweifel.
Die Auswahl der Bücher ist interessant, da es zwar keine unbekannten Autoren sind, er aber die typischen Klassiker außen vor lässt, wobei Kurt Bracharz in sehr eindeutigem Tonfall, wenig feinfühlig mit aller Subjektivität vorprescht und so manchen Autor entweder schmackhaft macht oder einem auf immer verleidet.

Nun könnte man sich fragen, was Sinn und Zweck der Übung sein soll und der Autor selbst teilt dem Leser im Nachwort knapp (wie sonst) mit, dass er durchaus eine Ordnung angestrebt hat, aber welcher Art sie sein sollte, definiert er nicht und überlässt es jedem mehr oder weniger selbst.

Ich komme trotz aller Zweifel nicht umhin, diesem Buch vier von fünf Sternen zu geben, die ich weniger dem Text an sich widme, als vielmehr dem Autor selbst.
Ich werde mir einige der genannten, mir noch unbekannten Bücher zum Lesen vormerken und auch den phlegmatisch angebrachten Sarkasmus habe ich genossen, aber das Sympathischste an allem war die Tatsache, dass man auf jemanden gestoßen ist, der eine ebensolche Liebe für Bücher empfindet wie man selbst, sich an wunderschönen, aufwendig gestalteten Ausgaben ergötzen und schon an kleinsten Übersetzungsfehlern ewig stören kann, der jede noch so unbedeutende Information speichert und zu den unpassendsten Zeiten wieder abruft.


LG
Trevor
Gast
 

von Anzeige » Fr 3. Apr 2009, 20:44

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