3Sat-Reihe: Der Darwin-Code




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3Sat-Reihe: Der Darwin-Code

Beitragvon nevermore » Di 13. Jan 2009, 11:18

Gestern kam auf 3Sat der erste Teil der "Darwin-Code" Serie. Genauer gesagt waren es drei Teile: Der erste über Darwin selbst, der schon als Terra X-Folge auf ZDF lief, der zweite, der sich um die Verwandtschaft zwischen Mensch und Affe drehte, und der dritte, eine Folge der Hitec-Reihe, die Genetik behandelte.

Der erste Teil war nett gemacht, eine Reportage über Darwins Leben, gab aber leider außer biographischen Informationen nicht allzu viel her. Was die Evolutionslehre betrifft, erfuhr man nichts, was nicht schon ein Zehntklässler wissen müsste, und auch das wurde nur unzureichend erklärt. Völlig vermisst habe ich auch eine Diskussion von Darwins Theorien, zum Beispiel eine Gegenüberstellung mit seinem Zeitgenossen Lamarck, und ein Eingehen auf die Unterschiede zwischen seiner und Wallaces Theorie, wenn man Wallace schon in den Film hineinbringt. Alles was an kritischer Beleuchtung kam, bezog sich auf die Position der Kirche, und die wurde auf Protagonisten, die die Schöpfungsgeschichte buchstäblich nahmen und deren Argumente sich auf "Darwin ist ein Ketzer" beschränkten, reduziert. Was Darwins Biographie betrifft, wie gesagt, nett gemacht und auch durchaus informativ, was die Evolutionslehre selber betrifft, eine Enttäuschung.

Der zweite Teil befasste sich mit der Verwandtschaft von Mensch und Affe, erklärte zum hundertsten Mal, dass der Evolutionslehre zufolge nicht der Mensch vom Affen abstammt, sondern beide gemeinsame Vorfahren haben (ich frage mich schon, an welche Zuschauergruppe sich diese Sendungen eigentlich richten), und diskutierte vor allem anatomische Gemeinsamkeiten und Unterschiede sowie die Folgen für die Fähigkeiten von Menschen und Affen. Im für mich interessantesten Teil ging es darum, ob auch bei Affen vom Vorhandensein einer Kultur bzw. Kulturfähigkeit ausgegangen werden kann, und ob sie rein vom Gehirnvermögen her Sprachfähigkeit besitzen. Auf die im Zusammenhang mit der Evolutionslehre interessante Frage, wie sich im Gehirn ein potentielles Sprachzentrum befinden kann, das sich nicht in tatsächlicher Sprachfähigkeit manifestiert (eigentlich sollte sich so etwas nicht evolutionär durchsetzen, denn es bietet keinen Selektionsvorteil) wurde leider nicht eingegangen. Nicht zuletzt wegen des teilnehmenden Äffchens war dieser Teil unterhaltsam anzusehen und auch vom Niveau her zumindest etwas besser als der erste. Wer eine kritische Auseinandersetzung mit Darwins Lehre erwartete, wurde aber auch hier enttäuscht.

Wie man es besser machen kann, zeigte der dritte Teil, der nun endlich zumindest auf einen Teil der wissenschaftlichen Kritik am Darwinismus einging. Es ging um die Frage der Vererbbarkeit erworbener Eigenschaften, die allerdings erst mit Wallace und Nachfolgern so festgeschrieben wurde; Darwin selber hielt eine Vererbung erworbener Eigenschaften begrenzt für möglich (wobei ich mich frage, ob für jemanden, der davon noch nie vorher gehört hatte, das Problem eigentlich herübergekommen ist; denn dass dies eine zentrale Annahme der (neo-)darwinistischen Lehre darstellt, wurde vorher nie erwähnt). Die Folge befasste sich mit einer Stoßrichtung der Kritik, nämlich der aus der Epigenetik kommenden. Am Beispiel des Einflusses der Ernährungssituation wurde aufgezeigt, wie diese auf das "Ein- und Ausschalten" von Genen einwirken kann, und es wurde auf Experimente hingewiesen, in denen gezeigt werden konnte, dass solche Veränderungen des Erbguts auch an die Nachkommen weitergegeben werden können - was ein klarer Bruch mit der darwinistischen Aussage ist. Dieser Teil war insgesamt vom Niveau her deutlich höher als die ersten beiden.

Insgesamt ist mein Eindruck von dieser 3Sat-Reihe bisher eher mäßig; sie bietet zwar ganz nette Unterhaltung, aber viel an wissenschaftlicher Information kam bisher nicht herüber (die Genetik-Geschichte mal ausgenommen). Ich hoffe, dass das im weiteren Verlauf der Reihe noch besser wird.

Hat die Beiträge sonst noch jemand gesehen, und wie haben sie euch gefallen?
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von Anzeige » Di 13. Jan 2009, 11:18

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Beitragvon Demona » Do 15. Jan 2009, 18:56

Ich habe es gesehen.

Wie aber schon vorher angemerkt, habe ich die Dokumentation über das Leben von Darwin schon gesehen gehabt.

Den zweiten Film fand ich nicht so interessant, aber, du hast Recht @ nevermore, der Affe war niedlich.
Ansonsten gab es da nicht allzu viel neues. Es ist ja bekannt, dass die ersten Funde von aufrecht gehenden Menschen von vor 3 Mio. Jahren in Afrika gefunden worden waren.

Den letzten Film fand ich sehr interessant, aber auch da kannte ich schon vieles - bis auf die Fliegen mit den roten Augen.
Es ist mittlerweile bekannt, dass Essen Auswirkungen auf die Gesundheit hat. Es gibt mittlerweile in den USA sehr viele Studien darüber, vor allem was für Auswirkungen das fast food Essen auf die indianischen Ureinwohner hat.
Trotz dessen war dies für mich der interessanteste Beitrag an diesem Abend.

Gestern habe ich leider nicht alles mit bekommen. Irgendwie habe ich wohl noch mit den Nachwirkungen meiner Erkrankung zu kämpfen, denn ich bin bei der zweiten Reportage (?) eingeschlafen.
Die erste fand ich interessant, vor allem das mit dem Farbspielen der Echsen und das die ihre Augen in verschiedene Richtung blicken lassen können und sie nur ein Auge brauchen, um die Beute mit der Zunge zu treffen.
Genauso witzig - auch wenn ich es schon kannte - war die Sache mit den Schützenfischen.

Dann war da noch eine Doku über den deutschen Professor, der Darwins Theorien in Technik umsetzt. Diese war m.e. sehr gut gemacht und auch vom Professor für Laien sehr gut erklärt.

Hast du es dir denn angesehen? Wenn du die Beiträge aufführst, dann kann es sein, dass ich bei dem einen oder anderen Beitrag doch etwas mit bekommen habe.
Tut mir ja echt leid, aber heute bin ich fit. :oops:
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Beitragvon nevermore » Do 15. Jan 2009, 19:12

Ich kriege das auch nicht mehr alles zusammen, aber die gestrige Sendung war deutlich besser. Vor allem den Teil über die Evolution des Auges und was verschiedene Sehorgane für eine Auswirkung auf die Realitätswahrnehmung haben. Auch ein Argument für den Konstruktivismus. Wenn Sinnesorgane Teile der Realität gar nicht wahrnehmen können, ist die Sichtweise von der Realität entsprechend unvollständig und verzerrt. Ob man auf irgendeine Weise auf die Phänomene aufmerksam wird, die man selber nicht wahrnehmen kann, ist mehr oder weniger Glückssache. Die Frage ist auch, ob das Gehirn mit solchen Phänomenen, für die keine Wahrnehmungszentren existieren, überhaupt sehr viel anfangen kann. Vielleicht gibt es Realitätsaspekte, die wir nie verstehen werden, weil das menschliche Gehirn schlicht nicht dafür konstruiert ist. Räume mit mehr als drei Dimensionen können wir bestenfalls mathematisch verstehen; was das für Realitäten sind, und welche Fragen im Zusammenhang mit ihnen auftauchen, da fehlt uns jeder Zugang.

Das Zukunftsszenario Erde der Wissenschaftler fand ich hochinteressant - da könnten sich Science-Fiction-Autoren noch was von abgucken :mrgreen:

Und im Teil über Epigenetik wurde jetzt auch die Sache mit der Vererbung erworbener Eigenschaften besser erklärt. Und Lamarck wurde erwähnt, das war echt überfällig. Der Effekt ist klar, dass dies die Evolution stark beschleunigt und Änderungen viel wahrscheinlicher macht. Das ist sehr viel plausibler als der simple Mutations/Rekombinations-Selektionsmechanismus. Dass der die alleinige Erklärung ist, glaubt ja nichtmal ein Biologe wie Ernst Mayr, und der ist eigentlich überzeugter Neodarwinist.
Zuletzt geändert von nevermore am Do 15. Jan 2009, 22:25, insgesamt 1-mal geändert.
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Beitragvon Demona » Do 15. Jan 2009, 19:20

@ nevermore

Und wie fandest du die Doku über den deutschen Prof., der Darwins Theorin in die Technik umgesetzt hat?
Der hat ja dafür auch einige Preise bekommen, wenn ich mich Recht erinnere.
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Beitragvon nevermore » Do 15. Jan 2009, 19:26

Naja, ziemlich zweischneidige Sache, nicht wahr? Ich frage mich, wie man sicherstellen will, dass diese Roboterevolution nicht außer Kontrolle gerät und die irgendwann ihr Leben und ihre Evolution selber in die Hand nehmen. Natürlich wird jetzt abgestritten, dass es so weit kommen kann, aber wer will schon wissen, was in 200, 300 Jahren damit ist?

Dasselbe dachte ich übrigens über diese Stammzellen-Sache. Natürlich bringt das enorme Chancen in der Medizin mit sich, aber wenn das in die falschen Bahnen kommt - ich sehe da immer solche Cordwainer-Smith-Szenarios mit Untermenschen und tierischen oder gar menschlichen Ersatzteillagern vor mir.
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Beitragvon Cellmorbasg » Do 15. Jan 2009, 19:31

Die Angst ist auch nur allzu verständlich. Falsche Hände gibt es immer und überall, Dinge die eigentlich dem Fortschritt des Menschen dienen können so leicht gegen den Menschen und somit gegen das eigentlich Fortschrittsstreben gerichtet werden.
Eine Angst die ihre Berechtigung hat seit es Menschen gibt, aber besonders im letzten Jahrhundert (allen voran die Entwicklung der Atombombe) Vortrieb erhalten hat.
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Beitragvon nevermore » Fr 16. Jan 2009, 18:32

Gestern ging es ja weiter, mit dem Thema "Sozialdarwinismus". Das ist von A bis Z erschreckend, wie sich die Wissenschaft da vor den Karren eines völkermordenden Regimes spannen ließ, oder wie Wissenschaftler selbst in Sachen "Rassenhygiene" aktiv wurden (Heckel). Die stehen da fanatischen Religionsvertretern in überhaupt nichts nach.

Besonders erschreckend fand ich, dass keineswegs nur im Nationalsozialismus das Töten von kranken und behinderten Kindern von Wissenschaftlern empfohlen wurde, sondern bereits vorher schon der Niedergang der menschlichen Rasse beschworen wurde, wenn man diesen Menschen hilft oder gar ihnen Gelegenheit gibt, sich fortzupflanzen. Und selbst in jüngster Zeit kamen von Wissenschaftlern solche Forderungen (waren es Kanadier? Mir fallen grade die Namen nicht mehr ein).
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Beitragvon Demona » Fr 16. Jan 2009, 18:43

Soweit ich ich das mitbekommen habe - ich bin leider vor der Diskussionsrunde eingeschlafen :oops: - war es vor Darwin ein gewisser Spencer, der meinte, man sollte die Armen nicht mehr unterstützen. Wenn sie nichts mehr zu Essen hätten, dann würden sie halt auch keine Kinder mehr bekommen.

Soweit ich es auch verstanden hatte, hatte Darwin das Essay zwar gelesen - es war ein MUSS bei den oberen Studierenden, aber er hat seine Thes nicht darauf aufgebaut.
Er hat die Menschen mit den anderen Arten und Vegetationen gleich gesetzt und darauf seine Theorie aufgebaut.

Aber erschreckend fand ich das ganze schon.
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Beitragvon nevermore » Fr 16. Jan 2009, 19:19

Die Sendung kannst du in der Mediathek von 3Sat nochmal online anschauen. Die ganze Reihe ist dort online.

Es war Malthus, der diese Geschichte mit der Nahrungsmittelknappheit und der Bevölkerungsexplosion in die akademische Diskussion brachte. Der war damals Pflichtlektüre. Spencer war der, der den Begriff "Survival of the Fittest" prägte und der hauptsächlich gegen die Sozialpolitik argumentierte.

Habe mir das grade nochmal angesehen. Es waren "Bioethiker der Universität Kopenhagen", die es da 1994 in Erwägung zogen, man solle alte Menschen töten, und ihre Organe an jüngere, kranke "umverteilen". Und laut Heckel kann man das Töten verkrüppelter Neugeborener vernünftigerweise nicht als Mord ansehen. Und er ruft sich zum Gegenpapst aus, 150 Meter entfernt vom Vatikan. Das alles ist natürlich streng wissenschaftlich begründet und im Dienste des übergeordneten Wohls.

Gut fand ich, dass hier darauf hingewiesen wurde, warum sich bestimmte wissenschaftliche Theorien durchsetzen und andere nicht. Nicht weil sie sich als richtig oder falsch erwiesen haben, sondern weil sie dem Zeitgeist entsprechen. Thomas Kuhn lässt grüßen.
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Beitragvon seirex » Mo 26. Jan 2009, 23:55

Hi!


Mir haben die Teile,
die ich gesehen habe durchweg gefallen.
Ich fand' den Verlauf der Dokus sehr gut geplant,
und der Beweis der "angeborenen uneigennützigen Hilfe" hat mich doch sehr überrascht.
Ich hätte den Menschen nicht so eingeschätzt.
Das gilt natürlich auch für die Entwicklung der Stelle im Gehirn,
die für das Sozialverhalten verantwortlich ist.
Auch hier dachte ich, dass der Mensch durch die Entwicklung seines Sprachzentrums so weit gekommen ist.
Diese These ist nun ja offensichtlich falsch und es fasziniert mich immer wieder,
wie unwiederlegbar die Evolutionstheorie voranschreitet.
Das Thema Epigenetik hat mich auch sehr fasziniert.
Dass sich Arten so schnell anpassen können,
ihre DNS dabei aber vorläufig nicht verändert wird war hoch interessant.
Die Ängste vor der Stammzellenforschung und künstlicher Intelligenz kann ich verstehen.
Denn auch mir fallen auf Anhieb Ängste ein,
doch wenn ich genau darüber nachdenke,
sind das Ängste, die mir irgendwelche schlechten Filme eingeflößt haben.
Die Stammzellenforschung bietet in erster Linie ein Haufen an positiven Effekten,
angefangen bei der Bekämpfung von Krankheiten, bis hin zum neuen Organ.
Das ganze wird zu einer sozialeren Medizin insgesamt führen.
Missbrauch ist hierbei sicherlich weniger realistisch,
als beispielsweise beim heutigen Medikamentenhandel und dem Organhandel usw usf.
Vor Manschinen, denke ich, gibt es nichts zu befürchten,
denn schlussendlich wird es immer der Mensch sein,
der das letzte Knöpchen drückt.
Töten konnte schon der erste Steinmeisel.
"Ich greife nicht eine bestimmte Version von Gott oder Göttern an. Ich wende mich gegen Gott, alle Götter, alles Übernatürliche, ganz gleich, wo und wann es erfunden wurde oder noch erfunden wird."
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