Herr der Ringe-welche Übersetzung?




Ein Ring, sie zu knechten, sie alle zu finden,
ins Dunkel zu treiben und ewig zu binden ...

Beitragvon Demona » Sa 9. Jan 2010, 15:57

Ich persönlich habe die Hobbits eigentlich eher für "altmodisch" gehalten und ich denke, aus dem Grund hat Tolkien sie auch mit drin gehabt.
Während alle anderen - das Böse zu allererst - auf das moderne hin strebten, blieb bei den Hobbits alles beim alten und sie waren glücklich damit.

Es ist allgemein bekannt, dass Tolkien in der Industrialisierung (Moderne) nichts gutes gesehen hat, da dadurch die Kriege, die Armut und die viel zu schnelle Veränderung kam. Niemand achtete mehr das Alte und Althergebrachte.
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von Anzeige » Sa 9. Jan 2010, 15:57

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Beitragvon frared » Sa 9. Jan 2010, 17:56

diese trennung kann man schon sehen, es ist halt ein sehr konservatives buch.

die verschiedenen völker von mittelerde haben schon verschiedene idiome. das muss man aber nciht herausstellen, indem man modernes vokabular verwendet.
ich habe mich eine weile mit übersetzung beschäftigt. ich verstehe schon, dass es diesen einen ultimativen text nicht gibt, aber es gibt welche, die sich näher oder entfernter von der quelle aufhalten.

ich hab mir mal verschiedene übersetzungen von alice im wunderland angeschaut und kam zu keinem richtigen ergebnis. die sensibilität gegenüber dem material ist halt manchmal mehr oder weniger gegeben. mir fällt allerdings auch nix ein, dass margarat carroux falsch gemacht hätte.
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Beitragvon Cellmorbasg » Mo 11. Jan 2010, 19:46

macht sie wahrscheinlich trotzdem nicht zu modernen menschen, was die neue übersetzung leider suggeriert.

Doch genau das wollte ich damit sagen. Fremdkörper mag ein unpassendes Wort sein. Modernes Element würde die Hobbits vielleicht besser beschreiben.

Das ist keine Idee die meinem Geist entstammt und ich weiß nicht ob ich es selbst erkannt hätte. Inzwischen hab ich soviel Sekundärliteratur zu Tolkien gelesen, dass ich leider nicht sagen kann wo das am besten ausgearbeitet ist.

Das die Hobbits auf uns altmodisch wirken steht ja nicht im Widerspruch. Erstens sind wir 60 Jahre von Tolikien entfernt und zweitens ist es natürlich nicht ein moderner Stadtmensch der uns dort vorgestellt wird. Es sind Gemütsmenschen wie Tolkien selbst - ländliche Engländer, aber eben auch der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts - der Zeit in der Tolkien selbst großgeworden ist. Shire - das ist findet sich ja auch in zahlreichen Lokalbezeichnungen wieder - ist die perfekte Bezeichnung für das Auenland.

Natürlich ist Tolkien konservativ, aber konservativ heißt ja nicht unmodern und Kritik an Übertechnisierung heißt ebenfalls nicht unmodern zu sein. Verschiedene Bezeichnungen - verschiedene Dinge.

Die Hobbits sind moderne Helden. Ihre größte Auszeichnung - ihr Mut - ist ihre größte Unterscheidung zum altertümlichen Helden. Denn der Mut der Hobbits trägt ganz andere Züge als die Heldenhaftigkeit eines Beren, Turin oder auch Aragorn.

Moderne, das ist eben nicht nur Technik, das ist auch Menschenrechte, das ist Demokratie, das ist Freiheit. Wenn modern nur Technik bedeutet, dann sind die Bösen bei Tolkien modern. Das sie es nicht sind, liegt wohl auf der Hand.



Ich musste mich leider erstmal nach Greifswald durchkämpfen, deshalb so verspätet und erstmal so kurz.
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Beitragvon Demona » Mo 11. Jan 2010, 20:04

@ Cellmo

Das ist das, was ich damit ausdrücken wollte. Die Industrialisierung brachte nicht nur gutes. Und das die Hobbits diesen Mut aufbrachten, der Mittelerde veränderte (sicher auch viele Bewohner Mittelerdes, die sie auf dieser Reise fanden), zeigt auch, dass sie den Mut zur Veränderung hatten. Diese 4 Hobbits brachten, gewollt oder ungewollt, andere Hobbits dazu über ihren Horizont hinaus zu sehen und für ihr Auenland zu kämpfen.
Dies brachten sie auch ganz alleine zustande - im Gegensatz zu den Völkern Mittelerdes.


Edit:

Wie sieht es bei euch schneetechnisch aus? Lt. meiner Mutter war es auch heute wieder in Strelitz ziemlich am schneien.
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Beitragvon Cellmorbasg » Mo 11. Jan 2010, 20:42

Gerade gefunden - ich zitiere mich mal selbst (vom 25. Okt. 2008):

So ich hab jetzt das Kapitel "I Der Hobbit" aus dem Buch "J.R.R. Tolkien Autor des Jahrhunderts" von Tom A. Shippey gelesen und möchte euch einen kurzen Überblick über die dortigen Aussagen geben:
- es wird gezeigt, dass Bilbo eine Person aus der Moderne ist - genauer aus der Bourgoisie, der wie ein Fremdkörper in der Welt von Mittelerde wirkt
- Bilbo soll für den Leser die Verbindung in diese fremde Welt sein
- Mittelerde ist eine Welt die auf alten Märchen und Sagen basiert und viele daraus bekannten Wesen enthält: Zwerge, Elfen, Orks, Trolle...
[...]
- Bilbo wächst im Verlauf der Geschichte und wird den anderen Teilnehmern der Geschichte durch seinen moderen Mut überlegen - das erste Mal ist er ihnen überlegen, als er sich innerlich dazu entschließt zu den Orkhölen zurückzugehen und den Zwergen zu helfen; während die Zwerge (auch wenn Gandalf sie vermutlich umgestimmt hätte) nicht zurüch wollen um Bilbo zu retten
- die Rätsel von Gollum und Bilbo haben alle (teilweise: alte) literarische Quellen - obwohl Bilbo also ein Fremdkörper ist, wird er mehr und mehr in dieser Welt heimisch
[...]
- Smaug ist wie Bilbo ebenfalls ein Anachronismus in Mittelerde, Smaug spricht zunächst nicht so heroisch wie Beorn, Thorin, Thranduil, sondern wie ein moderner Engländer aus der Oberklasse -erst als Bilbo "Rache" erwähnt, wird Smaug heroischer als alles was der Leser zuvor gelesen hat: "... unter seinem Volk habe ich mich sattgefressen, wie der Wolf unter den Schafen..."
- Smaug gleicht also Bilbo, indem sie beide in beiden Welten zugleich stehen
[...]
- Bard ist in seinem Handeln ebenfalls modern, in dem er bei der Verteidigung der Seestadt vorgeht wie im 1. Weltkrieg gekämpft wurde
- es ist mit dem Verhältnis Schlacht des Mittelaltters und des 1. Weltkrieges wie mit dem Verhältnis Gollum und Bilbo - äußere Verschiedenheit, bei ähnlichen Zügen unter der Oberfläche - in Bard ist dieses Verhältnis der Schlachten vereinigt, in dem er am Ende den Drachen allein mit dem alten Pfeil tötet
- wichtigste Lektion des Hobbit: Kollision der Stile führt zu einer tieferen Erkenntnis ihrer Einheit


http://anderswelten.plusboard.de/lesezirkel--und-quot%3Bder-kleine-hobbit-und-quot%3B-von-jrr-tolkien-t77-105.html&highlight=#2056
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Beitragvon frared » Sa 16. Jan 2010, 01:19

ähh... ich weiss ja nciht, ob ich das so stehenlassen kann, dass 'modern' nicht auch eine kritik an industrialisierung etc bedeutet.

ich kratz mir etwas den kopf deswegen.

ich denke ich verstehe, dass die hobbits schon so halbmodern sind, sesshaft und eher an ihrer ruhe interessiert. sag ich mal so. ich sag aber einfach auch mal , dass man ob dieser erkenntnis nicht die übersetzung dieses buches ändern muss. kann man auch so lassen. übersetzungen sind auch aus ihrere zeit, genauso wie texte aus ihrer zeit sind, da ist ja ncihts schlimmes dran, tut mir echt leid, deswegen erzählen wir doch hier oder nicht.

mit dem gleichen recht könnte ich die ilias jetzt nochmal übersetzen oder hamlet (ist ja noch nicht einmal zu oft passiert) und sagen, naja, so würde der moderne hamlet sprechen, das kommt ja bei versen nciht so rüber.

ich weiss nicht. das ist schon ein bisschen anmassend von einem verlag, eine neue übersetzung zu kommissionieren, obwohl an der alten nix falsch ist, oder nichts fehlt. ich behaupte einfach mal, dass den lesern diese feinheiten der betrachtung auch beim alten text einrieselten, nicht wahr :mrgreen:
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Beitragvon Cellmorbasg » Sa 16. Jan 2010, 18:43

das ist schon ein bisschen anmassend von einem verlag, eine neue übersetzung zu kommissionieren, obwohl an der alten nix falsch ist, oder nichts fehlt.

Nein, ich finde nicht, dass es anmaßend ist. Die alte Übersetzung ist auch nicht fehlerfrei - allein schon, weil das eine Übersetzung nie sein kann. Man findet auch durchaus andere Meinungen als die, dass Krege nur Mist verzapft hat und bei Carroux eitel Sonnenschein herrscht.
Der Verlag wollte wohl eine neue Übersetzung. Warum? Keine Ahnung, im Zweifel würde ich sagen wegen Geld. Dem Übersetzer würde ich ein solches Motiv aber nicht zuvorderst ankreiden. Er war offensichtlich der Meinung es besser machen zu können. Teilweise ist es ihm wohl auch gelungen.

Krege hat geschrieben:"[...] Die Übersetzerin Margaret Carroux hat also an etlichen Stellen die auch aus meiner Sicht richtigen Worte schon gefunden. [...] Dennoch wird der Leser auch ohne peniblen Textvergleich Unterschiede bemerken. Die alte Fassung ist eine getreue Nacherzählung einer fremden Geschichte. Sie gibt den englischen Text im allgemeinen zuverlässig wieder; doch der Ton klingt neutral und gedämpft [...]. Die neue Fassung maßt sich einen Versuch an, die Geschichte so vorzutragen, wie Tolkien es tun würde, wenn er heute, 1999, schriebe und wenn er sie aus dem Westron gleich ins Deutsche brächte, ohne den Umweg über das Englische."


Ich persönlich halte es für falsch, dass Krege die 1990er als Bezugspunkt gewählt hat und das ein oder andere moderne Wort zu viel in die Übersetzung gerutscht ist. Den Anspruch überhaupt neu zu übersetzen finde ich aber legitim.

ich behaupte einfach mal, dass den lesern diese feinheiten der betrachtung auch beim alten text einrieselten, nicht wahr

Ich weiß ehrlich gesagt nicht von welchen Feinheiten du sprichst.

mit dem gleichen recht könnte ich die ilias jetzt nochmal übersetzen

Ist geschehen. Wäre ja auch schlimm, wenn wir uns mit der erstbesten Übersetzung von vor 500 Jahren zufrieden gegeben hätten.
Gerade bei Homer wird es ja schwirig. Denn wenn man bei Übersetzungen das Versmaß des Originals beibehält kommt man noch leichter in Schwirigkeiten. Deshalb machen es ja manche auch nicht und lösen sich vom Versmaß.

Auch der Parzival wird ja übersetzt - von (mittelhoch)deutsch zu (neuhoch)deutsch. Mit allerhöchster Anstrenung konnte ich dem mittelhochdeutschen Text einigermaßen folgen, aber wir wollen ja lesen nicht als Arbeit sondern als Vergrügen.
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Beitragvon frared » So 17. Jan 2010, 18:57

die feinheiten die hobbits und deren welt und werden betreffend. ob sie modern oder vormodern sind etc.

klar kann ein verlag eine übersetzung in auftrag geben. ich überlege gerade, inwieweit copyright die auch betrifft. egal. ich glaube ich mag einfach nicht unbedingt, eine geschichte erzählt bekommen, als wäre sie in den neunzigern oder wannimmer passiert. ich habe das gefühl, dass sie sich dadurch stärker verankert, und für spätere generationen nicht unbedingt leichter zu verstehen ist. ein bisschen, als würde man sie in bayrisch nacherzählen oder so. is ja nett, aber spiegelt das die geschcihte gut wieder?

bei vornehmlich mündlich vorgetragenen stücken kann ich mir das schon eher vorstellen, da sich der fokus da wohl eher auf der gesprochenen sprache befindet.

und sieh mal, das problem von versmass und sprache ist bei jeder übersetzung. egal wie alt der kram ist oder von wo her. den kompromiss müssen wir immer akzeptieren. ich finds halt unnötig, sich die ganze arbeit nochmal zu machen ohne richtigen nutzen (wenn die carroux übersetzung jetzt unverständlich wäre oder so, klar...) deswegen eigentlich nur.
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Beitragvon Cellmorbasg » So 17. Jan 2010, 19:28

ich glaube ich mag einfach nicht unbedingt, eine geschichte erzählt bekommen, als wäre sie in den neunzigern oder wannimmer passiert.

Das geht doch aber ebenso wie gegen Neuübersetzungen gegen Übersetzungen überhaupt. Wenn ich eine Geschichte übersetze, verändert sie sich. Sie wurde ja in einer ganz anderen Sprache, in einer anderen Kultur oder eben auch in einer ganz anderen Zeit geschrieben. Natürlich geht der englische Charakter einer Geschichte verloren wenn ich sie ins Deutsche übersetze - es sein denn die Geschichte spielt ausdrücklich in England und man behält englische Eigennamen und so bei. So wie man also bei einer Übersetzung die komplette Geschichte eindeutscht, so überführt man die Geschichte bei einer Neuübersetzung in die Gegenwart.

Natürlich trifft das mal stärker und mal weniger stark zu. Ich glaube schon, dass jeder der den HdR liest, nicht auf die Idee kommt, das hätte sich vor zehn Jahren ereignet. Auch nicht, wenn der HdR auf feinstem Businessenglisch geschrieben wäre.

den kompromiss müssen wir immer akzeptieren. ich finds halt unnötig, sich die ganze arbeit nochmal zu machen ohne richtigen nutzen (wenn die carroux übersetzung jetzt unverständlich wäre oder so, klar...) deswegen eigentlich nur.

Das scheint unsere Hauptdifferenz zu sein. Du siehst den Nutzen nicht, ich schon.
Denn du sprichst es ja an: Übersetzung ist Kompromiss. Ich finde es daher als Gewinn, wenn ich zwei verschiedene Übersetzungen, also zwei verschiedene Kompromisse habe. Da kann ich entscheiden welchen ich besser finde und wenn ich mich intensiver damit befasse, dann lerne ich sogar 'ne Menge über meine Muttersprache, mein eigenes Sprachgefühl.

Am Schreiben des gestrigen Beitrags war ich auf einer Seite die etwas längere Zitate aus beiden Übersetzungen und dem Englischen hatte. Carroux konnte ich nicht flüssig lesen - Tolkien und Krege dagegen schon.
Es ist doch schön, wenn man Alternativen hat.

Und zum Schluss vielleicht noch ganz gewagt: Tolkien selbst hat doch Sachen neu übersetzt. Er liebte das Spiel mit Sprache. Eine Neuübersetzung ist vielleicht eine Art - im positiven Sinn - Spielerei.
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Beitragvon Demona » So 17. Jan 2010, 21:29

Und zum Schluss vielleicht noch ganz gewagt: Tolkien selbst hat doch Sachen neu übersetzt. Er liebte das Spiel mit Sprache. Eine Neuübersetzung ist vielleicht eine Art - im positiven Sinn - Spielerei.


Das ist gar nicht so gewagt. ich glaube, ich habe es schon einmal erwähnt, aber Tolkien fand manche Wörter, Eigennahmen und Begriffe in deutscher Sprache besser wie im Englischen. Er fand auch, dass einige Wörter die Bedeutung dessen, was er im elbischen oder anderen Sprachen, die er entwickelte, besser wieder gab.
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