Ich hab beschlossen, mich mal etwas intensiver mit der Artus-Sage zu befassen und zu diesem Zweck nach langen Jahren erstmals wieder T.H. Whites "Der König auf Camelot" (im Original: "The Once and Future King") hervorgeholt, ein Werk, das ich früher sehr gern gelesen habe. Es ist eine Kollektion früherer Werke von White und umfasst die vier Bände
* The Sword in the Stone (1938) (Das Schwert im Stein)
* The Queen of Air and Darkness (1939) (Die Königin von Luft und Dunkelhit)
* The Ill-Made Knight (1940) (Der missratene Ritter)
* The Candle in the Wind (1958) (Die Kerze im Wind),
die in Deutschland in unterschiedlichen Ausgaben erhältlich sind. Sie erzählen von der Kindheit und Jugend Arthurs, seinem Aufstieg zum König, der Formation der Tafelrunde bis zu seinem letzten Kampf mit Mordred. Es gibt noch ein fünftes, posthum erschienenes Buch "The Book of Merlyn" (Das Buch Merlin), das vom Vorabend der letzen Schlacht erzählt.
JK Rowling nannte White einen ihrer wichtigsten Einflüsse, was u.a. den Einfluss Merlins auf Dumbledore betrifft; ich finde, man merkt das an der einen oder anderen Stelle recht deutlich.
Ich habe jetzt die ersten zwei Bände wieder-gelesen. Der erste Band erzählt von Arthurs Kindheit und Ausbildung und endet damit, dass Arthur König wird. Arthur, in seiner Kindheit "Wart" (die Warze) genannt, ist ein adoptierter Junge bei König Ektor und steht immer etwas im Schatten von dessen leiblichem Sohn Kay. Die beiden Jungen werden bei Ektor zu Knappe (Wart) und Ritter (Kay) ausgebildet, wobei nach ein paar Kapiteln Merlin als Hauslehrer in Arthurs Leben tritt. Merlin ist bei White ein Zauberer, der rückwärts in der Zeit lebt, was für einige Kuriositäten sorgt, da er des öfteren Zukunft und Vergangenheit durcheinander bringt. Arg genau darf man nicht über diese Situation nachdenken, sonst kriegt man einen Knoten ins Gehirn. Während der Ausbildung Warts verwandelt ihn Merlin in die verschiedensten Tiere, damit er unterschiedliche Gesellschafts- und Lebensformen kennenlernt. Unter anderem lebt er unter den Ameisen (einer militaristisch-kommunistischen Gesellschaft, in der man nur eine Nummer ist) und den Wildgänsen (einer sehr freien Gesellschaft, in der jede Gruppe ihren Anführer selbst wählt). Diese Episoden sind wunderbar beschrieben; ich finde, was Szenerie-Beschreibungen betrifft, steckt White selbst Tolkien noch locker in die Tasche. Es gibt eine recht humorvolle Nebenhandlung mit einem fahrenden Ritter, der sein Leben einer reichlich bizarren Suche nach einem Adventurien-Tier gewidmet hat, das er, genau betrachtet, gar nicht fangen will. Arthurs Ausbildung endet mit Kays Ritterschlag, aus dessen Anlass sie nach London zur Teilnahme an den Ritterspielen fahren. Arthur wird dort mehr oder weniger "aus Versehen" König - wie, möchte ich jetzt hier nicht spoilern.
In Band 2, der nur halb so lang ist wie Band 1, muss sich Arthur mit den aufrührerischen Klein-Herrschern auseinandersetzen, die ihre Untergebenen tyrannisieren und wie Hunde auf Fuchsjagden in ihren Kleinkriegen verheizen. Unter der weiteren Ausbildung Merlins beschließt Arthur, diesem Zustand ein Ende zu machen und die jüngere Generation in einer "Tafelrunde" an einen Tisch zu bringen. In diesem Band lernt man ferner die Brüder Gawaine, Gareth, Agravaine und Gaheris kennen, Söhne von Morgause (einer Halbschwester Arthurs) und König Lot, der Arthurs Hauptgegner ist. Auch in diesem Band spielt der fahrende Ritter und seine Suche nach dem Aventurientier wieder eine Rolle, die Auflockerung bietet. Der Band endet der Schlacht zwischen Arthurs Leuten und König Lot, Merlins Abschied als Lehrer und einem Ereignis, das ich wieder nicht spoilern will.
Einer Reihe von Lesern sind Whites Bücher zu langatmig geschrieben. Sie sind sicher nicht "modern", aber Tolkien-Fans dürften mit seinen ausgedehnten Beschreibungen kein Problem haben. Wer für so etwas einen Sinn hat, dem kann ich die Bände nur empfehlen. Ich würde mich freuen, wenn sie noch jemand gelesen hat, und vielleicht etwas dazu sagen will. Ich lese erstmal weiter Band 3 und 4.