Kreuze, Kopftücher und dann Religionsfreiheit?




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Kreuze, Kopftücher und dann Religionsfreiheit?

Beitragvon seirex » So 6. Jul 2008, 16:58

Hi!

Immer wieder hört/sieht man Diskussionen über Kopftuch-Verbote.
Ich bin für das Verbot von Kopftüchern in Schulen, Unis und öffentlichen Einrichtungen.
Nicht nur, weil das Tuch ein Zeichen der Unterdrückung ist,
sondern weil es auch die nötige Neutralität der öffentlichen Einrichtung in Frage stellt.
Genauso sehe ich es mit dem Kreuz, der Nonnentracht usw. usf.

Als Unterrichtsfach finde ich deshalb den Religionsunterricht fehl am Platz.
Sinnvoller wäre ein vernünftiger Ethikunterricht für alle.

Wie seht ihr das?

LG

seirex


PS: Wusstet ihr, dass eure Schulzeugnisse gegen das Grundgesetz verstoßen?
Dort ist nämlich die Konfession eingetragen...
"Ich greife nicht eine bestimmte Version von Gott oder Göttern an. Ich wende mich gegen Gott, alle Götter, alles Übernatürliche, ganz gleich, wo und wann es erfunden wurde oder noch erfunden wird."
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von Anzeige » So 6. Jul 2008, 16:58

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Beitragvon Demona » So 6. Jul 2008, 17:54

Ich finde auch, dass Glaubensutensilien nichts an öffentlichen Schulen und Universitäten zu suchen haben.Ethikunterricht finde ich in Ordnung, wenn er nicht unbedingt vom Pfarrer oder Religionslehrer gehalten wird - nur weil man keinen anderen Lehrer dafür findet.
Da können sehr anschaulich die verschiedenen Glaubensrichtungen erklärt werden.

Ehrlich gesagt, finde ich es auch von Leuten anderen Glaubens nicht in Ordnung, dass sie an öffentlichen Schulen oder Universitäten solche Forderungen stellen.
Sie sind in unser Land gekommen und müssten sich auch vorher darüber informiert haben, was da auf sie zu kommt. Entweder ich kann damit leben oder ich muss in meinem Heimatland bleiben. Oder ihr Kind halt auf eine Schule oder Uni anmelden, die nach ihrer Lebensart und ihren Richtlinien unterrichtet.

Als Europäer kann ich auch nicht in die strenggläubigen arabischen Länder fahren oder sogar dort für einige Zeit leben und weiterhin nach meiner bisherigen Lebensart leben wollen. Da habe ich mich ja auch an verschiedene Gesetze und Bestimmungen zu halten.


Edit: Auf meinem Zeugnis nicht. In der DDR gab es keinen Religionsunterricht. :wink:
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Beitragvon Cellmorbasg » So 6. Jul 2008, 21:49

Ich habe überhaupt nichts gegen Kopftücher.
Von mir aus kann sie tragen wer will - auch in der Schule? - warum eigentlich nicht?
Der einzige Grund der in Betracht kommt, ist die Trennung von Kirche und Staat - das die auch in Deutschland nicht zu 100 Prozent fortgeschritten ist, ist bekannt.
Weil das so ist, gilt für mich: Gleichheit für alle.
Solange Kreuze in Klassenzimmern hängen oder den Lehrern an Ketten um den Hals, ...
solange können Lehrerinnen auch Kopftücher, Dauerwelle, Glatze oder sonst was tragen.
Zuletzt geändert von Cellmorbasg am Mo 7. Jul 2008, 18:23, insgesamt 1-mal geändert.
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Beitragvon seirex » Mo 7. Jul 2008, 00:01

Hallo!

Eben meine Rede: Nichts Religöses in öffentlichen Einrichtungen eben um die Gleichheit Aller zu wahren.

Cellmo hat vollkommen Recht, wenn er sagt, dass Staat und Kirche noch immer nicht zu 100% getrennt sind.
Wusstet ihr, dass der Staat der Kirche für jedes Mitglied zusätzlich zu den Kirchensteuern noch Geld gibt?
Oder ganz einfach die Kirchensteuer selbst: Für welchen Verein sonst "sammelt" der Staat die Mitgliedsgelder ein?
Wieso kann ein künftiger Arbeitgeber auf den Zeugnissen der Bewerber sehen ob und welcher Konfession der Bewerber angehört?
Wieso müssen Theologiestudenten/Priester/Pfarrer nicht der Wehrpflicht nachgehen?
usw usf

LG
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Beitragvon nevermore » Mo 7. Jul 2008, 14:11

Cellmorbasg hat geschrieben:Ich habe überhaupt nichts gegen Kopftücher.
Von mir aus kann sie tragen wer will - auch in der Schule - warum eigentlich nicht?
Der einzige Grund der in Betracht kommt, ist die Trennung von Kirche und Staat - das die auch in Deutschland nicht zu 100 Prozent fortgeschritten ist, ist bekannt.
Weil das so ist, gilt für mich: Gleichheit für alle.
Solange Kreuze in Klassenzimmern hängen oder den Lehrern an Ketten um den Hals, ...
solange können Lehrerinnen auch Kopftücher, Dauerwelle, Glatze oder sonst was tragen.


So sehe ich das auch. Ich muss sagen, mir geht das Theater, das besonders in meinem Heimatbundesland Öttinger und Co. veranstalten, gehörig auf den Keks - und wäre ich deutschstämmige Lehrerin, hätte ich gute Lust, in BaWü mal mit dem Kopftuch unterrichten zu gehen. Solange sie nicht im Unterricht muslimische Predigten abhält, kann sie meinetwegen im Tschador herumlaufen, wenn sie will.

Langsam wird hierzulande eine Bevormundung institutionalisiert, die ich nicht mehr feierlich finde. Leuten unter 18 wird verboten, Lotto zu spielen, man darf nicht mehr mit Kopftüchern zur Arbeit gehen ... was kommt denn als nächstes?

seirex hat geschrieben:Wusstet ihr, dass der Staat der Kirche für jedes Mitglied zusätzlich zu den Kirchensteuern noch Geld gibt?


Ja, wusste ich, und ich muss als Nicht-Kirchenmitglied und Nicht-Christin sagen, solange die Kirche Leistungen erbringt, die nicht allein ihren Mitgliedern zugute kommen, finde ich das auch legitim. Berühmte Kirchen und Klöster stehen allen Leuten und nicht nur Kirchenmitgliedern zur Besichtigung offen, zumeist ohne Eintrittsgelder oder für Eintritte, die nicht kostendeckend sind, kirchliche Seelsorge-Einrichtungen fragen nicht, ob einer, der sich in Not an sie wendet, Kirchenmitglied ist, Bestattungen werden von Kirchenpersonal auf kirchlichem Grund und Boden auch für Nicht-Kirchenmitglieder durchgeführt, etc. Für andere Vereine gilt so etwas nicht.
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Beitragvon seirex » Mo 7. Jul 2008, 15:13

Hi!

Also ich finde es unmöglich, dass ich als Nicht-Kirchenmitglied die Kirche mitfinanzieren muss!
Das ist für mich eine unglaubliche Sauerei!

LG
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Beitragvon nevermore » Mo 7. Jul 2008, 17:05

Ich bin von vielen Dingen, die durch Steuern mitfinanziert werden, nicht begeistert, oder ich nutze sie nicht, und zahle sie trotzdem. Wie gesagt, so lange diese Leistungen den Charakter öffentlicher Güter haben, auch nur teilweise, ist das meines Erachtens sowohl ökonomisch als auch rechtlich legitim.

Die Kirchen sind keine Vereine im Sinne des Vereinsrechts, sondern Körperschaften öffentlichen Rechts, und m.W. damit sogar verpflichtet, ihre Leistungen nicht nur ihren Mitgliedern zugute kommen zu lassen. Diese Leistungen ausschließlich aus Kirchensteuern zu finanzieren, fände ich wiederum im Gegenzug unfair gegenüber den Kirchenmitgliedern. Der Sportverein stellt seine Trainer bzw. Sporthalle, wenn sie ihm gehört, auch nicht kostenlos jedermann zur Verfügung.

Ich bin kein großer Freund der Kirche, sonst wäre ich nicht ausgetreten, aber ich finde es auch nicht richtig, sie zu einem Buhmann aufzubauen. Ich sehe durchaus, dass von Kirchenmitgliedern, vor allem an der Basis, auch gute Arbeit geleistet wird. Angesichts der Streichungen von Sozialleistungen überall würde es mancherorts, besonders in armen Gemeinden auf dem Land, aber auch in manchen Großstadtbezirken, ohne die Kirchenleute ziemlich übel aussehen. Ich würde ungern sehen, dass Leuten mit Selbstmordgedanken die kirchlichen Ansprechpartner entzogen werden, weil sie irgendwann aus der Kirche ausgetreten sind, dass Rettungsdienste künftig erst nach der Kirchenmitgliedschaft fragen müssen, oder dass alte Leute ohne Angehörige und Vermögen nach ihrem Tod irgendwo in Hinterhöfen verscharrt werden, weil es für Nicht-Kirchenmitglieder keinen Platz auf einem ordentlichen Friedhof mehr gibt. Das sollte man vielleicht bei der ganzen Debatte auch nicht ganz vergessen.

Was die Kopftuch-Sache betrifft, verstehe ich überhaupt nicht, was das mit Trennung von Kirche und Staat zu tun haben soll. Ob jemand mit einem Kopftuch herumläuft, hat höchstens etwas mit ihrer Religion zu tun, aber nichts mit der Zugehörigkeit zu einer Kirche. Wo soll das enden? Sollen als nächstes Lehrern T-Shirts mit dem Yin-Yang-Zeichen verboten werden, dass sie keine Halsketten mit einem Kreuz tragen dürfen, oder keinen keltischen oder Indianerschmuck, weil das "heidnische Umtriebe" sind?

Ich habe übrigens grade nachgesehen: In meinem Abiturzeugnis ist keine Konfession ersichtlich, es sei denn, man hatte Religion als Kurs gewählt.
Zuletzt geändert von nevermore am Mo 7. Jul 2008, 18:51, insgesamt 1-mal geändert.
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Beitragvon seirex » Mo 7. Jul 2008, 17:36

@Nevermore

Ja, kommen die Gelder denn nicht nur den Mitgliedern zu Gute?
Als gutes Beispiel kann ich mich an ein Gymnasium in der Nähe meines ehemaligen Wohnortes erinnern.
Dort war der Unterricht qualitativ viel hochwertiger als im benachbarten Gymnasium.
Leider kann dort nur hin wer getauft und römisch-katholisch ist.
->Staat finanziert jedoch mit (oder sogar ganz).

Oder zum Bsp katholische Kindergärten. Die werden zu 100% vom Staat finanziert,
laufen aber unter der Regentschaft der Kirche.
Kinder die dort untergebracht sind sind gleich unter der Fuchtel der Kirche
und wer nicht katholisch ist bekommt in den meisten Fällen keinen Platz.Und was mir auch missfällt ist, dass die Kirche so eben sehr gut dasteht. Sie steht als wohlwollende Einrichtung da, die Arme unterstützt - aber mit dem Geld des Staates!


PS: Bei mir im Zeugnis ist klar ersichtlich, dass ich keiner Religion angehöre.
Was mache ich nun, wenn ich mich um einen Job bewerbe und einem konservativen Katholik gegenüber stehe?

LG
Zuletzt geändert von seirex am Mo 7. Jul 2008, 21:38, insgesamt 1-mal geändert.
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Beitragvon nevermore » Mo 7. Jul 2008, 18:08

seirex hat geschrieben:Ja, kommen die Gelder denn nicht nur den Mitgliedern zu Gute?
Als gutes Beispiel kann ich mich an ein Gymnasium in der Nähe meines ehemaligen Wohnortes erinnern.
Dort war der Unterricht qualitativ viel hochwertiger als im benachbarten Gymnasium.
Leider kann dort nur hin wer getauft und römisch-katholisch ist.
->Staat finanziert jedoch mit (oder sogar ganz).

Oder zum Bsp katholische Kindergärten. Die werden zu 100% vom Staat finanziert,
laufen aber unter der Regentschaft der Kirche.
Kinder die dort untergebracht sind sind gleich unter der Fuchtel der Kirche
und wer nicht katholisch ist bekommt in den meisten Fällen keinen Platz.


Auch das ist legitim meines Erachtens, denn für die Kinder, die dort in die Schule bzw. den Kindergarten gehen, braucht man in den städtischen Schulen bzw. Kindergärten keine Plätze zu finanzieren. Es ist ja nicht so, dass dort nur Religion unterrichtet wird. MW werden auch andere private Schulen, wie Waldorfschulen, staatlich subventioniert.

Und was "unter der Fuchtel" betrifft: Ich war auch in einem evangelischen Kindergarten, von "Fuchtel" merkte ich da nichts. Soweit ich mich erinnere, gab es da nichtmal ein Morgengebet.

Nochmal als Beispiele für Leistungen, die nicht nur Kirchenmitgliedern zugute kommen:
- offensichtlich: Gottesdienste - jeder kann dahin gehen, egal ob er Kirchenmitglied ist oder nicht (ob er das will oder nicht, ist eine andere Frage)
- Instandhaltung touristischer Attraktionen wie Klöster, inklusive Naherholungsgebieten wie Klostergärten
- Bestattung von Nichtkirchenmitgliedern sind m.W. nicht grundsätzlich teurer als die von Kirchenmitgliedern
- Seelsorge durch Kirchenmitglieder steht auch Nichtkirchenmitgliedern offen
- Einsätze von Rettungsdiensten wie Maltheser, Johanniter, etc. fragen nicht nach der Kirchenmitgliedschaft, wenn sie zu Rettungseinsätzen gerufen werden.
- diverse Altenheime, die allen offenstehen, werden von den Diakonien zumindest mitfinanziert.

Und was mir auch missfällt ist, dass die Kirche so eben sehr gut dasteht. Sie steht als wohlwollende Einrichtung da, die Arme unterstützt - aber mit dem Geld des Staates!


Jede wohltätige Organisation, auch die Arbeiterwohlfahrt und das Rote Kreuz, wird vom Staat finanziell unterstützt.

PS: Bei mir im Zeugnis ist klar ersichtlich, dass ich keiner Religion angehöre.
Was mache ich nun, wenn ich mich um einen Job bewerbe und einem konservativen Katholik gegenüber stehe?


Dann hast du dasselbe Problem, wie wenn du als Sozialdemokrat einem überzeugten Konservativen oder Liberalen gegenüberstehst. Oder als Frau einem, der Frauen nichts zutraut. Oder als Ausländer einem, der deutsche Arbeitskräfte für das einzig Wahre hält. Oder generell als jemand, der aus irgendwelchen Gründen, die mit seiner Qualifikation nichts zu tun haben, nicht als der ideale Bewerber betrachtet wird. Entweder er stellt dich trotz anderer Gesinnung ein, oder du lügst ihn an, oder du kommst zu dem Schluss, dass dieser Job nicht der richtige für dich ist.
Zuletzt geändert von nevermore am Mo 7. Jul 2008, 20:34, insgesamt 2-mal geändert.
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Beitragvon Cellmorbasg » Mo 7. Jul 2008, 18:47

nevermore hat geschrieben:Was die Kopftuch-Sache betrifft, verstehe ich überhaupt nicht, was das mit Trennung von Kirche und Staat zu tun haben soll.


Aus meiner Sicht gar nichts. Was ich mit meinem Beitrag zum Ausdruck bringen wollte war folgendes: Aus meiner Sicht gibt es für ein Kopftuchverbot nur ein "vernünftiges" Argument: Trennung von Kirche und Staat. Dieses Argument sehe ich außer Kraft gesetzt.

Ich bin dafür, dass alle Menschen zum Ausdruck bringen dürfen, welcher Religion sie angehören. Das schließt das Kopftuch mit ein.
Unsere Bundeskanzlerin hat einen Eid auf die Verfassung geleistet mit dem Schlusssatz: "So wahr mir Gott helfe."
Warum will man es anderen "Dienern das Staates" verwehren ihre Religiösität öffentlich zu zeigen?
Cellmorbasg
 
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