Buddhismus und der Dalai Lama




Alles, was sich um philosophische, religiöse und verwandte Themen dreht

Beitragvon nevermore » Fr 25. Jul 2008, 20:55

seirex hat geschrieben:Zum Dalai Lama:

Der Strahlemann, der während seiner Regierungszeit noch auf Leibeigene zurück greifen konnte, gibt dem tibetischen Volk zu verstehen, dass wem es heute schlecht geht, wer krank ist, ausgebeutet und gequält wird, habe dies durch seine vorherigen Leben selbst herbeigeführt, der kann in meinen Augen nur ein Heuchler sein.


Da sitzt du einer (im Westen weit verbreiteten) Fehlinterpretation des buddhistischen Karma- bzw. Reinkarnationsglaubens auf. Karma bedeutet nicht, dass man etwas "verschuldet" hat, sondern, dass jede Wirkung eine Ursache hat. Und der buddhistische Reinkarnationsglaube bedeutet nicht, dass ein Individuum so, wie es ist, im nächsten Leben wiedergeboren wird. Die westliche Vorstellung der unsterblichen Seele kennt der Buddhismus in dieser Form nicht. Jemand hat die buddhistische Vorstellung mal mit einem Domino-Effekt verglichen: Ein Domino-Stein, der umfällt, steht mit den nächsten, den er anstößt, eben durch diesen Anstoß in einer Verbindung. Diese Verbindung meint der Reinkarnationsglaube. Dominostein B fällt um, weil vorher Dominostein A umgefallen ist - das Umfallen von A hat kausal das Umfallen von B zur Folge. Ursache - Wirkung. Mit Verschulden, was eine Person in ihrem früheren Leben getan hat, hat das nichts zu tun, schon weil es diese westliche Vorstellung von der "Person", die schon einmal gelebt hat, im Buddhismus so nicht gibt.
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Beitragvon Demona » Fr 25. Jul 2008, 22:39

@ seirex

Kannste mir mal mal näher erläutern, wie du dazu kommst, den Dalai Lama zu jenen zu zählen, die das Wohl der reichsten der Reichen sichern will.

Ich kann mich da nicht daran erinnern, dass er sich jemals derart geäußert hat. Soweit ich weiß, sinken beim Dalai Lama gerade die Menschen im Ansehen, die nur von sich auf andere schließen und total ichbezogen sind.



@ seirex

Ich denke da auch, dass du da die Worte des Dalai Lama leider falsch verstanden oder interpretiert hast.
Die letzten Tage habe ich auf 3sat eine Dokumentation über den Tibet und den Dalai Lama gesehen. Leider war diese schon von 2001, aber sie gab immer noch interessante Einblicke.

Sehr erstaunlich fand ich, dass, wenn es wieder ein freies Tibet - auf friedlichem Weg, wie der Dalai Lama immer wieder von seinem Volk fordert - er nicht als Staatsoberhaupt zur Verfügung stehen wird, obwohl der Dalai Lama schon immer das geistige und weltliche Oberhaupt von Tibet war.
Er möchte, das Tibet von einer vom Volk gewählten Regierung geleitet wird.

Des weiteren ist er sehr froh darüber, dass es wieder mehr tibetische Nonnen gibt, sie leben zwar immer noch unter härteren Bedingungen als die tibetischen Mönche, aber sie sind sehr viel selbstbewusster geworden.

Ganz so glücklich über die vielen Buddhisten im westlichen Ausland schien er nicht zu sein, aber nicht aus dem Grund, dass er keine "Ausländer" als Buddhisten haben möchte, sondern weil er denkt, dass sie nicht ganz verstehen und verinnerlichen, was den buddhistischen Glauben ausmacht.
Dafür braucht man nämlich sein ganzes Leben und darüber hinaus. Des weiteren bedauert er auch sehr, dass viele diesen Glauben mit NewAge - ich hoffe, das ist jetzt richtig geschrieben - vermischen und das ist nicht der Sinn des Buddhismus.

M.E. sollte man bei Aussagen des Dalai Lama genau hinhören und zuhören, damit man auch genau weiß, was hat er damit gemeint.

Der Buddhismus ist eine sehr friedliche Glaubensform und eine, die einen Menschen für seine Taten nicht verdammt und verurteilt

Beitrag wurde von Demona am 27.07.08 um 17:40 editiert
Zuletzt geändert von Demona am So 27. Jul 2008, 17:40, insgesamt 1-mal geändert.
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Beitragvon Kola » Fr 25. Jul 2008, 23:28

Dazu kommt, dass die Reinkarnationslehre nicht von Coca-Cola oder Sony erfunden wurde, sondern so alt ist wie die Menschheit. Sie kommt in so ziemlich allen Religionen vor, sogar in der Bibel :wink:

seirex hat geschrieben:Der Strahlemann, der während seiner Regierungszeit noch auf Leibeigene zurück greifen konnte,

Das darf man nicht mit westlichen Leibeigenen vergleichen. In Asien ist es eine große Ehre, einer hochgestellten Persönlichkeit dienen zu dürfen. Asiaten, allen voran die Japaner, gehen für ihre Herren in den Tod, ohne mit der Wimper zu zucken, einfach weil es höchst ehrenvoll ist, für sie selbst und für ihre Familien.
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Beitragvon seirex » Sa 26. Jul 2008, 22:38

@nevermore

Laut Dalai Lama sei grundlegend für den Buddhismus das ?Gesetz von Ursache und Wirkung?, zusammengefasst unter dem Begriff ?Karma? (sankrit: Handlung): ?Da eine Ursache eine Wirkung hervorruft, die ihrerseits wiederum die Ursache einer weiteren Wirkung ist, spricht man von der Kontinuität des Bewußtseins. Das Bewußtsein befindet sich in einem ständigen Fluß und sammelt von einem Augenblick zum anderen Erfahrungen und Eindrücke.? Hieraus folge, dass ?zum Zeitpunkt des physischen Todes im Bewußtsein eines Wesens ein Abdruck aller vergangenen Erfahrungen und Eindrücke sowie der ihnen vorausgegangenen Handlungen ist?. Das dergestalt geformte Bewußtsein eines Verstorbenen werde in einem karmisch entsprechenden neuen Körper wiedergeboren, wie der Dalai Lama erläutert, ?in dem eines Tieres, Menschen oder göttlichen Wesens. Um ein Beispiel zu nennen: Eine Person, die in ihrem Leben vielfach Tiere gequält hat, könnte in ihrem nächsten Leben sehr wohl als Hund wiedergeboren werden, der einem herzlosen Besitzer gehört und schlecht behandelt wird.? Die reaktionäre Folgerung, Menschen in sozialem Elend oder sonstig desolaten Lebensverhältnissen seien letztlich selber an ihrem Schicksal schuld ? sie haben lediglich ihr Karma abzutragen, sprich: Vergehen aus früheren Leben zu büßen ?, stellt in der Tat den Kern buddhistischer Lehre dar: ?Die unerträglichen Leiden sind die Früchte der von mir allein begangenen Handlungen.? Umgekehrt, so der Dalai Lama, ?führen verdienstvolle Handlungen in diesem Leben zu einer günstigen Wiedergeburt im nächsten?. (...)

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Beitragvon nevermore » Sa 26. Jul 2008, 23:04

@seirex

Mir ist schon bekannt, dass in jüngerer Zeit einige als "Buddhismus-Kritiker" auftretende Leute, allen voran das Ehepaar Trimondi, im www für Aufsehen sorgen. Ich erspare mir zu kommentieren, was ich von diesen "Kritikern" halte. Man kann, wenn man es darauf anlegt, absolut jede weltanschauliche oder politische Position durch Weglassen von Information oder Verdrehen von Tatsachen als "menschenverachtend" hinstellen. Wenn diese Leute aus Unverständnis oder sonstwelchen Gründen den Buddhismus in einer verdrehten Form darstellen, ist das weder Schuld des Buddhismus, noch des Dalai Lama.

Ich kann nur empfehlen (das gilt natürlich im Grunde für alle Themen), sich nicht nur aus einer offensichtlich auf Propaganda angelegten Quelle zu informieren, sondern verschiedene und vor allem seriöse Quellen heranzuziehen. Da liefert ja schon die Wikipedia bessere Informationen (Empfehlung zum Einstieg: http://en.wikipedia.org/wiki/Reincarnation#Buddhism, http://en.wikipedia.org/wiki/Rebirth_(Buddhism), und seriöse Fachliteratur über den Buddhismus gibt es wahrhaftig genug.
Zuletzt geändert von nevermore am Sa 26. Jul 2008, 23:09, insgesamt 1-mal geändert.
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Beitragvon seirex » Sa 26. Jul 2008, 23:08

@Nevermore

Stimmt, ein andere Quelle wäre auch Colin Goldner: Dalai Lama ? Fall eines Gottkönigs. Erhielt der Autor nicht sogar eine Morddrohung?

LG

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Beitragvon nevermore » Sa 26. Jul 2008, 23:29

Ich weiß nicht, ob der Autor eine Morddrohung erhielt - Morddrohungen erhält man heutzutage ja schon, wenn man Comic-Stories schreibt, die bestimmten Lesern nicht gefallen.

Gegenfrage: Wurde nicht von einem Wiener Gericht festgestellt, dass in Herrn Goldners Fall die Bezeichnung "verblendeter Fanatiker" gerechtfertigt ist?

Ich habe auch das eine oder andere Problem mit dem Buddhismus, aber was diese Leute tun, ist nun wirklich einen Strohmann aufzubauen und auf ihn einzudreschen. Das ist wie gesagt keine Kunst. Mit Falschdarstellungen Strohmänner aufzubauen und gegen die zu argumentieren ist nie eine Kunst. Wenn du dich wirklich für das Thema Reinkarnation im Buddhismus interessierst, und nicht nur eine bestimmte Position bestätigt sehen willst, sind die von mir im vorigen Beitrag verlinkten Wikipedia-Artikel kein schlechter Einstieg; darüber hinaus gibt es von einschlägigen Verlagen wie Diederichs gute populärwissenschaftliche Literatur, und natürlich ist auch kein Mangel an wirklich seriöser religionswissenschaftlicher Literatur.
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Beitragvon Kola » So 27. Jul 2008, 11:56

seirex hat geschrieben:Ja, unglaubliche Disziplin und Autorität haben die Asiaten über Jahrtausende hinweg lenkbar gemacht.
Also ist die Situation noch viel schlimmer.

Schlimmer für wen? Aus Sicht der Asiaten wohl kaum. Aus deiner vielleicht. Auch dies ist wieder ein Pauschalurteil.

nevermore hat geschrieben:Wenn du dich wirklich für das Thema Reinkarnation im Buddhismus interessierst, und nicht nur eine bestimmte Position bestätigt sehen willst, sind die von mir im vorigen Beitrag verlinkten Wikipedia-Artikel kein schlechter Einstieg; darüber hinaus gibt es von einschlägigen Verlagen wie Diederichs gute populärwissenschaftliche Literatur, und natürlich ist auch kein Mangel an wirklich seriöser religionswissenschaftlicher Literatur.

Was auch immer hilft: Sich mit den Leuten auseinander setzen, die Buddhisten sind.
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Beitragvon Demona » So 27. Jul 2008, 12:09

Schlimmer für wen? Aus Sicht der Asiaten wohl kaum. Aus deiner vielleicht. Auch dies ist wieder ein Pauschalurteil.


Das denke ich mal auch. Noch dazu, wo ihre Kultur um so vieles Älter ist als unsere. M.E. können wir da in einigen Dingen noch von Ihnen lernen, vor allem was die Geduld betrifft. :wink:

Eine Kollegin hat gerade ein Buch über die Lebensgeschichte einer tibetischen Frau gelesen. Ihr Fazit nach dem Lesen des Buches ist, dass sie sich Olympia aus China nicht ansehen wird und sie die Chinesen nun erst recht nicht mehr mag.
Dazu kann ich nur sagen, dass nicht 1 Mrd. Chinesen in Tibet eingefallen sind. Ich denke mal, die hätten in dem kleinen land auch keinen Platz gehabt. Aber negative Aussagen über die Politik eines Landes fallen immer auf das Volk zurück und nicht alle Chinesen sind mir der Politik ihres Landes einverstanden, ansonsten hätte es nicht die blutigen Aufstände gegeben und es würden nicht so viele politische Gegner verschwinden - auf die eine oder andere Weise.

Wie Kola schon sagte, das ist Pauschalisierung eines Volkes.
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Beitragvon seirex » So 27. Jul 2008, 23:27

@nevermore

Es ging mir ja auch um Religion als Werkzeug zur Unterdrückung.
In diesem Zusammenhang nannte ich auch den Dalai Lama, als einen solchen Mittelsmann.
Deshalb sehe ich die Themenneustrukturierung und Benennung auch als nicht gerechtfertigt und falsch an.

Was die Leibeigenschaft anbelangt:

Was kann daran nur im entferntesten nicht verwerflich und menschenverachtend sein?
Wenn hier dann gesagt wird, es sei Teil der asiatischen Kultur,
dann frage ich war es dann auch völlig in Ordnung, dass Hitler Kinder in den Krieg schickte?

Die waren auch davon überzeugt. Sie glaubten an die Ehre und das Vaterland.
Etwas, das in Europa und Deutschland ja auch Tradition hatte.

LG

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