Heute habe ich Arthur C. Clarkes „Childhood’s End“, dt. "Die letzte Generation", zuende gelesen. Was für ein eigenwilliges, faszinierendes und völlig unvorhersagbares Buch.
Childhood’s End (1953 erschienen) ist eine Variante der Future History, eine Chronik der letzten Dekaden der Menschheit, jedoch eine, die kaum etwas mit den üblichen Endzeit-Stories gemein hat. Es hat drei Teile. Der erste Teil berichtet, wie kurz vor dem ersten Flug zum Mars eine übermächtige Rasse von Aliens auf, oder besser im Raum über, der Erde eintrifft. Niemand weiß, wie diese von den Menschen als "Overlords" bezeichneten Aliens aussehen, oder was ihre Pläne sind; sie scheinen altruistisch und auf das Wohl der Menschheit bedacht, indem sie dafür sorgen, dass Konflikte und Kriege ein Ende finden. Sie machen aber auf nicht-gewaltsame Art sehr deutlich, was zu erwarten ist, wenn die Menschheit nicht tut, was sie wollen. Der erste Teil handelt vor allem darum, wie die Menschen mit dieser Situation umgehen.
Im zweiten Teil geht es um Folgen dieser „Befriedung“ der Menschheit. Auf der Erde ist eine Art Utopia entstanden, in dem es keine Kriege, keine Armut, keine Seuchen etc. gibt. Die Kehrseite dieses Paradieses wird auch sichtbar: Die Menschheit stagniert wissenschaftlich und kreativ. Die physische Erscheinung der Overlords wird enthüllt, und der Kontakt zu den Menschen wird enger, wenn auch immer noch rätselhaft bleibt, was eigentlich das Ziel dieser Aliens ist.
Im dritten Teil schließlich erfährt man so langsam, was es mit der Anwesenheit der Overlords tatsächlich auf sich hat. Ich kann hier ohne zu spoilern eigentlich kaum etwas zur Handlung schreiben. Ich will deshalb nur sagen, dass Clarkes Vorstellungskraft, was fremde Welten und Lebensformen betrifft, hier absolut atemberaubend ist. So etwas liest man wirklich selten. Das Ende ist nicht so einfach zu verdauen, und es ist schwer zu sagen, ob es nun optimistisch oder pessimistisch ist.
Das Buch ist ein sehr ungewöhnlicher Roman der „speculative fiction“; ich würde es fast eher der Fantasy als der Science Fiction im eigentlichen Sinn zuordnen. Es ist sehr stark philosophisch und mystisch angehaucht. Der Titel „Childhood’s End“ gibt sehr gut wieder, was letztlich Clarke’s Thema ist. Den eher nüchternen Schreibstil einiger anderer früher Sci-Fi-Autoren wie Asimov oder Bester findet man hier nicht; rein was den Schreibstil betrifft, ist Clarke diesen weit überlegen. Das Buch ist auch aus heutiger Sicht hervorragend lesbar.
Der Einfluss dieses Werks auf nachfolgende Science Fiction ist nur schwer zu überschätzen. In vielen TV-Serien und Filmen, angefangen von Star Trek über V, Babylon 5, Earth: Final Conflict bis Independence Day, ebenso wie auch in der Literatur finden sich Themen und Motive aus "Childhood's End" wieder.
Wem würde ich es empfehlen? Sicher nicht jedermann. Fans „harter“ Science Fiction werden sich an den mystischen, sogar esoterischen Elementen stören. Der Roman ist insgesamt nicht sehr actionreich. Da es Future History ist, hat es ein ähnliches Problem wie Asimovs Foundation Trilogy: Man bleibt nicht lange bei denselben Charakteren. Lesern, die ausgesprochenen Wert auf Charakterentwicklung legen, wird es vermutlich nicht liegen. Der Schwerpunkt ist eher eine Chronik der Menschheit, als das Schicksal einzelner Charaktere. Wer sich für so etwas interessiert, und sich zu mystischen und philosophischen Themen hingezogen fühlt, für den ist es unbedingt empfehlenswert. Es ist in der englischen Ausgabe schon für weniger als 4 Euro zu haben und die ist es allemal wert.