"Liverpool Street" von Anne C. Voorhoeve




Literatur-Klassiker und historische Literatur

"Liverpool Street" von Anne C. Voorhoeve

Beitragvon Cellmorbasg » Mi 3. Jun 2009, 12:54

Nie traf es mehr zu, dass ich ein Buch auch zur richtigen Zeit gelesen habe - es ist eines der besten Bücher die ich je gelesen habe.

Die Handlung zusammenzufassen, ist diesem Artikel sehr gut gelungen:
http://www.berlinonline.de/berliner-zeitung/archiv/.bin/dump.fcgi/2007/0320/kinderundjugendbuch/0180/index.html

Nur soviel von mir: Ein junges jüdisches Mädchen entgeht der Verfolgung durch die Nazis, weil sie von den Eltern mit einem der Kindertransporte nach London geschickt wird.
Das Buch zeigt das grauenhafte Deutschland im Jahr 1938, das Leid des Krieges, den Verlust geliebter Menschen, die Schwirigkeit sich in einer Pflegefamilie einzufinden, die Bedeutung des Glaubens, die Entfremdung zwischen Menschen die die Hölle auf Erden erlebt haben und jenen die das Glück hatten dem zu entgehen, die Schuld die dadurch auf dem eigenen Gewissen lastet und vieles mehr.

Was das Buch aber erst vollkommen werden lässt, sind die Momente in denen man herzhaft lachen kann.


In diesem Jahr scheinen die Deutschen gerne sich selbst zu feiern - 60 Jahre BRD, 20 Jahre Fall der Mauer. Nichts habe ich bisher gehört, gelesen oder gesehen, dass sich mit dem 1. September beschäftigt - wenn sich der Beginn des 2. Weltkrieges zum 70 Mal jährt. Mit einer Ausnahme: Gesine Schwan wollte wohl gerne als Bundespräsidentin an diesem Tag eine Rede auf Polnisch halten - ich hoffe sie macht es trotz ihrer Nichtwahl.
Man scheint müde zu sein, sich mit diesem Thema auseinander zu setzen. Man beginnt sich zu lösen von der Geschichte. Gestern Abend sagte Sandra Maischberger in ihrer Talkshow: ""Aus einer tieferen Nacht [gemeint war die Bombadierung Dresdens] kann man zu der Zeit gar nicht gekommen sein. Außer man war noch - " Beendet hat sie den Satz nicht. Ist es schon so weit, dass sich Sprachlosigkeit ausbreitet? Weil das Unbegreifliche nicht mehr greifbar ist und lieber unausgesprochen bleibt?
Jude! Außer man war noch Jude! Denn dann hat man nicht nur in den Abrgrund der Menschheit geblickt, sondern man war dort.


Bücher wie dieses helfen die Erinnerung wach zu halten und das Leid zu vergegenwärtigen. Damit nicht vergessen wird, warum die Welt heute ist wie sie ist, warum z.B. die Europäische Union so wichtig ist und damit sich Geschichte nicht wiederholt.
Am 7. Juni wird nicht nur das Europaparlament, sondern in sieben Bundesländern auch in den Kommunen gewählt. Die Frage ist nicht ob sondern wie viele Stimmen die NPD bekommt - besonders hier oben bei mir, in Mecklenburg-Vorpommern, in direkter Nachbarschaft zu Polen - dem Land das Deutsche vor 70 Jahren überfallen haben.
Cellmorbasg
 
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von Anzeige » Mi 3. Jun 2009, 12:54

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Beitragvon Demona » Mi 3. Jun 2009, 13:57

Ich lese solche Bücher auch immer sehr gerne und ich finde es auch wichtig, das darüber geschrieben und erzählt wird.
Meine Großmutter mütterlicherseits hat immer sehr viel von ihren Erlebnissen erzählt. Meine andere Oma eher weniger, denn sie gehörte zu den Vertriebenen aus Schlesien und da sie kurz nach ihrer Ankunft hier ihren jüngsten Bruder verlor, war es wohl auch sehr schmerzhaft für sie.

Dieser Tage fiel mir durch eine Unterhaltung mit einer Freundin auf (Sie waren zu einem Familientreffen in Weimar und einige von ihnen gingen nach Buchenwald.), dass es mittlere fast 30 Jahre her ist, wo ich in Buchenwald war. Jedoch habe ich immer noch Bilder in meiner Erinnerung und bei bestimmten Filmen und Büchern tauchen die auch wieder auf und dies ist etwas, was einem nie los lässt.

Allerdings hat sich das Bewusstsein der Deutschen und vor allem das Welt im Jahre 2006 grundlegend geändert. Wir waren nicht mehr die Sauerkrautesser und die, die den zweiten Weltkrieg begonnen hatten und soviel Leid gebracht haben. Dies finde ich auch gut.
Man darf und sollte so eine Vergangenheit nicht vergessen, d. h. aber nicht, dass sie mein Leben bestimmen muss. Warum dürfen wir nicht 60 Jahre Bundesrepublik und 20 Jahre Mauerfall feiern.
Soweit ich mich erinnere gab es zum 50. und 60. Jahrestag der Niederschlagung des Faschismus auch große Feiern und Gedenkveranstaltungen.

Es gab einige Staatsmänner und Politiker, die den Völkern, in denen Nazideutschland einfiel und denen es sehr viel Leid antat ihr tiefes Beleid und bedauern aussprachen.
Ich kann mich jedoch nicht an einen großen Politiker erinnern, der den Japanern ihr Beleid aussprach über die Atombomben über Hiroshima und Nagasaki.

Ich habe letztens etwas gesehen über ein Kind, das auf der Flucht aus Schlesien mit ihren Mutter und den Geschwistern nach Dänemark floh. Das Kind war das einzige, was das Lager überlebt hat, indem nach dem Krieg gesteckt wurde. Darüber war bis jetzt auch kaum etwas bekannt, auch weil die Dänen sich dafür geschämt haben und nicht wollten, das darüber gesprochen wird.
"Möge Gott sein zwischen Dir und dem Leid, an allen verlassenen Orten, die Du erreichen wirst." (ägyptischer Segensspruch "Babylon 5")

"Wichtig ist nur, was du mit der Zeit anfängst, die dir in deinem Leben gegeben ist." (Gandalf zu Frodo in Moria, HdR- Die Gefährten)
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