Truman Capote ?Kaltblütig?
Gegen Ende der 50er Jahre werden vier Mitglieder einer Farmersfamilie in Kansas umgebracht. Die Täter, zwei kleinkriminelle Außenseiter des Lebens, fliehen daraufhin erst nach Mexiko und später quer durch die USA - bis zu ihrer Verhaftung.
Ihnen wird der Prozess gemacht und sie werden zum Tode durch den Strang verurteilt.
Der Fall ist weitläufig bekannt und ging damals durch alle Medien.
So wurde auch der Schriftsteller Truman Capote auf dieses Verbrechen aufmerksam und zeigte starkes Interesse an der Tat. Die Brutalität, die scheinbare Gelassenheit der Verurteilten und das fehlende Motiv beschäftigten den Autor besonders und das ist es dann auch, was er in seinem Buch darzustellen versucht.
Warum wird ein Mensch zum Mörder?
Dieses ?Warum? drängt sich einem in dem Buch immer wieder auf und man könnte es fast als eine psychologische Profilerstellung der beiden Täter anerkennen.
Die Handlung beginnt mit der Schilderung des letzten Tages der Clutter-Familie, ihrer sozialen Bindungen und Beliebtheit im Dorf, ihrer Zukunftspläne und Ängste.
Parallel dazu bekommt man bereits einen Einblick in die Vorbereitung der Tat, indem Capote in seinen Erzählperpektiven immer wieder wechselt, bis sich alles auf diese eine Nacht zuspitzt.
Allerdings erfährt man weiterhin weder das ?Wie? noch das ?Warum?. Die zwei spannendsten Fragen spart sich der Autor geschickt für das letzte Drittel des Buches auf. Vorerst begleitet der Leser wiederum in paralleler Erzählweise die Flucht der Täter als auch die Ermittlungen in dem Fall.
Der Focus liegt hierbei jedoch eindeutig auf den zwei Mördern, Dick und Perry. In kleinen Häppchen bekommt man deren Kindheit, soziales Umfeld, kompletten Lebenslauf, emotionales Profil sowie innere Gedankenwelt serviert und entwickelt eine Art Sympathie und Verständnis für die beiden, besonders für den misshandelten, ständig gequält wirkenden Perry.
Die Rechtfertigung, das ?Warum? dieser Tat schwebt einem dabei immer vor Augen, aber eine auf wissenschaftlicher Grundlage abgefasste Antwort bekommt der Leser erst im Schlussteil des Buches während der Verhandlung zu lesen.
Auch das ?Wie? kommt zwischen Dick und Perry nie zur Sprache; so muss man sich bis zu dem ausführlichen Geständnis der beiden nach ihrer Festnahme gedulden und erfährt beinahe Überraschendes.
Capote hat versucht, zu erklären, aber er macht auf den letzten Seiten seines Buches unmissverständlich klar, dass es wohl viel komplizierter ist, als man es in einem etwa 350 Seiten starkem Buch je zum Ausdruck bringen könnte.
Während des jahrelangen Wartens im Todestrakt auf die Durchführung ihrer Strafe lernen Dick und Perry andere Todeskandidaten kennen, deren Mordfälle ebenfalls kurz geschildert werden. Auch bei ihnen ist absolut kein Motiv zu erkennen. Das Problem ist nicht sichtbar, sondern viel tiefer verwurzelt.
Truman Capote schreibt in einfachem Stil ohne Schnörkel und Verzierungen. Sachlich, kalt und offen ist seine Erzählstruktur, was zur Folge hat, dass man dieses Buch kaum wieder aus der Hand legen kann, wenn man es einmal angefangen hat.
Capote hat in diesen Fall sehr viel Zeit investiert, persönlich mit den Zeugen und dem Umfeld der ermordeten Familie gesprochen, er hatte ein ?enges? Verhältnis zu den beiden Tätern, v.a. Zu Perry und besuchte sie regelmäßig im Todestrakt. Daher kann man sich in hohem Maße auf die Glaubwürdigkeit dieser Schilderung verlassen und dieser Fakt lässt neben der Sachlichkeit nicht einen Moment an der Authentizität des Erzählten, der Personen und ihrer Handlungsweisen zweifeln.
Ich muss dieses Buch einfach jedem weiter empfehlen, egal ob Leseratte oder Lesemuffel.
Liebe Grüße
Trevor