Didier Goupil "Castro is tot!"




Zeitgenössische Literatur, Comics, Poesie

Didier Goupil "Castro is tot!"

Beitragvon Gast » Fr 20. Mär 2009, 15:01

Didier Goupil "Castro ist tot!"


Ohne Frage ist der Titel des Buches gewollt provokativ, aber im Laufe des Romans stellt sich schnell heraus, dass diese Provokation einem milderen, fast resignierenden Ton weicht.
Es ist aus Sicht des Autors die Resignation vor dem endgültigen Scheitern einer hoffnungsschwangeren Revolution, die ihr Volk in Armut, Verzweiflung und mutloser Trägheit zurück lässt.
Der Roman, in zwei Hälften unterteilt, die jeweils kurz gehaltene Kapitel enthalten, wird aus Sicht des beginnenden 21. Jahrhunderts erzählt und befasst sich sowohl mit der Vergangenheit als auch mit der Gegenwart.
In ersten Teil, ?La vie en rose? betitelt, stellt der Autor sich selbst als Ich-Erzähler ins Zentrum, spaziert durch das Havanna des 21. Jahrhunderts, beobachtet und urteilt. Als Tourist steht er für die Außenperspektive, sein Grundton ist ein traurig melancholischer, zuweilen auch sarkastisch. Er kennt Kuba so, wie man es in den Nachrichten erfährt, wie nur ein Außenstehender es betrachten kann.
Parallel dazu wird bereits von der Verhaftung des regimekritischen kubanischen Journalisten Juan Valero berichtet, der in dem zweiten Teil des Romans ?Castro ist tot? das Zentrum der Erzählung darstellt und für die Innenperspektive steht. Mittels eines personellen Erzählers werden dessen Haftbedingungen geschildert, brutal, schonungs- und hoffnungslos.
In lebhaftem Stil werden eine Menge interessanter Geschichten, Anekdoten und Rückblicke erzählt, sozusagen ein kurzer Abriss von fast allem einer knapp 50 Jahre alten Revolution. Dabei werden sowohl Kritik als auch positive Anmerkungen getroffen, die allerdings im nächsten Atemzug schon wieder einen bitteren Beigeschmack enthalten.
Und wenn man über Kuba schreibt, darf natürlich eines nicht fehlen, die Musik. Son, Salsa, Cha Cha Cha, all das steht für die kubanische Seele wie nichts anderes und stellvertretend lässt der Autor den Verlust dieser Musik, ihrer Wurzeln und großen Stars für den Verlust des ganzen Volkes stehen.

Das Buch ist ohne Frage äußerst interessant, erregt Mitleid und Trauer, Wut und Unverständnis und trotzdem kann ich dem Roman nur drei von fünf Punkten geben.
Man fragt sich, woher der Autor so manche Behauptung nimmt und würde sich eine Quellenangabe wünschen, denn immerhin handelt es sich hier nicht um eine Fiktion, sondern um Realität. Es heißt zum Beispiel, Kuba hätte bereits an die 20 000 Ärzte gegen Öl mit Venezuela getauscht und würde daher an einem Ärztemangel leiden, aber woher kommt diese Angabe?
Ebenso fehlt in Folge dieser Behauptung jegliche Stellungnahme zu der Gesamtsituation Südamerikas, die ohne Zweifel nicht unberücksichtigt bleiben darf. Es wird nur wenig Bezug zu der Stellung Kubas in den internationalen Beziehungen genommen, ihr Handel mit China, Venezuela und ehemals der UdSSR, allesamt linksorientierte Regierungen, wird erwähnt, das Wirtschaftsembargo der USA und dessen fatale Auswirkung auf die Versorgung Kubas hingegen findet keinerlei Beachtung.
Der immer wieder rabiate Eingriff der USA-Regierung in die Länder Südamerikas und deren Ausbeutung bleibt genauso unerwähnt wie die allgemein bekannte Tatsache, dass Kuba unter nicht amerikanischem Einfluss immerhin das am besten situierte Land Südamerikas ist.
Die Einschätzungen des Ich-Erzählers wirken nicht selten anmaßend, wenn er zum Beispiel glaubt, in den Gesichtern der Kubaner nach kurzer Zeit des Lebensgefühl eines ganzen Volkes sehen zu können und auch die verhöhnende Darstellung Castros in seinen Turnschuhen, die Nachäffung seiner Marotten wirken wenig objektiv.

Alles in allem ist dieses Buch eine sicherlich gerechtfertigte Frage nach der Armut und Verzweiflung der kubanischen Bevölkerung, eine interessante Darstellung eines nach wie vor heiklen Themas. Die Antwort hingegen ist eine, wenn auch leise, Anklage aus einer einseitigen Betrachtungsweise heraus.


Liebe Grüße
Trevor
Gast
 

von Anzeige » Fr 20. Mär 2009, 15:01

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