Looking for Alaska - Eine wie Alaska - Serie bei HULU




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Looking for Alaska - Eine wie Alaska - Serie bei HULU

Beitragvon Bernhard Nowak » Mo 23. Mär 2020, 17:46

Looking for Alaska – Gedanken zur Serie

Das Buch „Looking for Alaska“ aus dem Jahre 2005 gehört bis heute zu den beliebtesten Jugendbüchern von John Green – es war sein Debut – und es wurde 2008 zweifach für den Deutschen Jugendliteraturpreis nominiert, den es aber nicht erhielt.

Das Buch erzählt eine Coming-of-Age-Geschichte in einem Internat in Alabama. Miles, 16, hält sich für einen Langeweiler. Viel los ist nicht mit ihm. Er ist schüchtern, kennt keine Mädchen, keine Freunde, nichts in irgendeiner Form „Auffälliges“. Als Sportmuffel ist er begeistert, dass in seiner neuen Schule Sport kein Pflichtfach ist. Außerdem ist auch sein Vater dort gewesen. Schnell freundet er sich mit seinem Zimmernachbarn, dem Schwarzen Chip Martin, genannt „Colonel“, an, charismatisch, ein typischer Anführer, gleichzeitig aber voller Empathie für seine Mitmenschen, was er hinter einer „rauhen Schale“ verbirgt. Durch ihn lernt Miles nicht nur Zigaretten kennen, er freundet sich auch bald mit Chips Clique an, darunter dem japanischen Austauschschüler Takumi, der Rumänin Lara aber vor allem der geheimnisvollen Alaska, von der Miles fasziniert ist. Alaska ist voller Leben, unternehmungslustig aber auch depressiv. Doch sie leidet seit dem Tod ihrer Mutter, von dem sie glaubt, ihn als Kind verschuldet zu haben. Dieses Geheimnis wird jedoch erst im Laufe der Geschichte gelüftet.
Sie heckt gerne intelligente Streiche aus, die in diesem Internat, genannt Culver Creek, Tradition haben. Sie ist auch – wie Chip Martin – hoch intelligent.Ihre Lieblingsfrage kreist um das Thema „Leiden“ und eine Frage aus Garcia Marquez Roman: „Der General in seinem Labyrinth“: Wie finden wir aus dem Weg des Leidens heraus?

Glücklicherweise haben die Schüler einen lungenkranken ebenfalls sehr charismatischen Religions- und Philosophielehrer, der sie fordert und ermutigt, solche Fragen nach dem Sinn des Lebens anzugehen.

Gibt es einen solchen Sinn überhaupt? Die berühmte „Theodizee-Frage“ wird besonders aktuell, nachdem Alaska nachts aus einem zunächst unbekannten Grund in betrunkenem Zustand heimlich die Schule verlässt. Mit ihrem Auto verunglückt sie tödlich. Miles und Chip haben ihr geholfen, in der fraglichen Nacht heimlich aus der Schule zu entkommen. Sind sie dadurch mitschuldig an ihrem Tod? Warum musste dieses junge Mädchen so sinnlos sterben? Warum lässt Gott dies zu? Diese zentralen Fragen werden nach Alaskas Tod für ihre hinterbliebenen Mitschüler besonders quälend.

Das Buch ist in Ich-Form aus der Perspektive von Miles geschrieben und umfasst zwei Teile:
Der erste Teil behandelt die Ereignisse vor Alaskas Tod und nimmt 180 der 294 Seiten ein, also fast zwei Drittel der Story. Der zweite – literarisch und inhaltlich wesentlich anspruchsvollere – Teil behandelt die Situation nach ihrem Tode, die Bewältigung der traumatischen Ereignisse für die Schüler und insbesondere für Miles und den Versuch, die Ereignisse zu verstehen und in Religion und Philosophie Halt und Kraft für das zukünftige Weiterleben zu finden.

Wie verfilmt man ein solches Werk? Ähnlich wie „Margos Spuren“, einem ähnlich gelagerten Folge-Roman John Greens (aber ohne die Tiefe seines Erstlings), der mit Nat Wolff eindrucksvoll verfilmt wurde (Nat Wolff spielt den Protagonisten in „Margos Spuren“, einem „Zwilling“ von Miles und er wäre auch mein „Favorit“ für die Rolle des Miles Hunter gewesen, aber er ist heute dafür leider zu alt; die Rolle übernahm Charles Plummer, der Miles anders, aber ebenfalls sehr gut, darstellt) als Film? Dies wäre möglich gewesen, hätte aber vermutlich zu gravierenden Kürzungen geführt, denn die Tiefe des Stoffes in anderhalb oder zwei Stunden zu vermitteln, wäre möglicherweise nicht ohne Kompromisse möglich gewesen, die den Film hätten entwerten können. Also lieber kein Film als eine schlechte Verfilmung. Die Lösung, die gefunden wurde, war, aus der Vorlage eine Serie mit mehren Teilen zu kreieren, um diesen Problemen zu entgehen.

John Green wirkte selber an der Verfilmung mit und fand auch geeignete Drehbuchautoren, die sein Buch mochten und es werkgetreu umsetzen wollten. In Zusammenwirken mit John Green wurden passende Schauspieler gefunden. Insbesondere die Besetzung der Rolle der Alaska erwies sich als schwierig. Mit der Schauspielerin Kristine Froseth wurde jedoch eine richtige Wahl getroffen. Sie setzt die Vielschichtigkeit, die Undurchsichtigkeit, die Fröhlichkeit und Launenhaftigkeit der Protagonistin derart gekonnt um, dass ich nur staunen konnte (meine Favoritin für diese Rolle wäre eine jüngere Kristen Stewart gewesen, die durch die Twilight-Verifilmungen bekannt geworden ist, aber Alaska möglicherweise – auch wenn sie jünger gewesen wäre – zu eindimensional dargestellt hätte). Dass die Figuren alle – mit der möglichen Ausnahme des Miles Halter – nicht eindimensional, sondern vielschichtig sind, macht ihren Reiz für mich aus.

Der Streaming-Dienst Hulu entschied sich, die Rechte an der Verfilmung zu erwerben und es wurden 8 Epsisoden mit je ca. 50 Minuten Länge gedreht. Nicht nur die Schauspieler, auch die gefundene Musik (der Soundtrack ist im Internet verfügbar) passen zur Atmosphäre um 2007, in der die Geschichte spielt.

Die Serie nimmt einige Veränderungen vor, die die Geschichte – zumindest im ersten Teil – wesentlich intensiver wirken lassen. So wird die Anführerrolle des Colonel Chip Martin stärker betont, die Auseinandersetzung mit seiner ersten Freundin Sara, die im Buch nur angedeutet wird, nimmt in den ersten Teilen einen zentralen Raum ein. Saras Eltern lehnen den „Schwarzen“ ab und er revanchiert sich dafür mit einem Streich beim Abschlussball seiner Freundin.
Hier braucht der Zuschauer zunächst einen langen Atem. Rutscht die Serie dadurch nicht in eine billige Kitschserie ab, wie es sie tausendfach gibt? Ja, die Gefahr besteht; und auch ich war in Episode 2 über die Länge dieser Szenen etwas „genervt“. Spätestens ab Folge 3 nimmt die Geschichte jedoch an Fahrt auf. So spielt der Religionslehrer eine viel zentralere Rolle in der Serie als in der literarischen Vorlage. Der Schauspieler des Philosophielehrers, Ron Cephas Jones, spielt die Rolle kongenial. Er ist einfühlsamer, gütiger und weniger streng als der Dr. Hyde der Buchvorlage, und insbesondere sein Charisma kommt sehr gut herüber. Es ist gut, dass die Serienmacher entschieden haben, die Rolle dieses Lehrers deutlich auszuweiten. Er begegnet Alaska und Miles etwa während ihrer gemeinsamen Herbstferien und lädt sie zu sich nach Hause ein; und er wird nach Alaskas Tod von Chips Mutter gebeten, Chip beratend in seiner Theodizee- und Glaubenskrise beiseite zu stehen (Auch Chips Mutter spielt eine viel zentralere Rolle als im Buch; genauso habe ich sie mir vorgestellt!). Es sind diese erweiterten Szenen der Serie gegenüber der Vorlage, die sie über die Vorlage erheben, weil die Handlung dadurch erklärbarer wird und die emotionalen Szenen einschließlich der Konflikte intensiver herübergebracht werden. Diese gegenüber der Vorlage erweiterten Szenen gehören für mich zum Besten der Verfilmung.

Der „Preis“ ist, dass Chip Martin, der - im Unterschied zur Buchfassung – bei einem Streich vom Direktor des Internats (genial dargestellt durch Timothy Simons) erwischt und am Tag vor Alaskas Tod von der Schule verwiesen wird (was dann durch die dramatischen Ereignisse um Alaskas Tod nicht realisiert werden wird), zur eigentlichen Hauptperson der Serie wird. Doch spielt Denny Love den Colonel Chip Martin so genial, dass ich ihm dies wirklich gönne. Man kann sicherlich über Schauspielerbesetzungen unterschiedlicher Meinung sein. Was aber die Besetzung des Colonel und die schauspielerische Leistung von Denny Love betrifft, kann ich für mich nur sagen: so habe ich mir Chip Martin vorgestellt, so und nicht anders muss er besetzt sein.

Atmosphärisch ist insbesondere das Ende der sechsten Episode, unterlegt mit dem Song: „I will follow you in the dark“ und „an honest mistake“ so umwerfend filmisch (mit der Kamera sehr nahe an den Gesichtern dler Protanonisten) und musikalisch gelungen, dass das Finale der Episode 6 und der Beginn der Episode 7, in der der Schulleiter den Tod Alaskas in der Turnhalle mitteilt, für mich diese Serie zu den bedeutendsten Jugendserien der Filmgeschichte machen wird.

Es gibt zwei weitere durchaus bedeutende Änderungen gegenüber der literarischen Vorlage, die wenigstens am Ende noch erwähnt werden sollten: so gibt es eine Auseinandersetzung zwischen Chip Martin und Alaskas Vater anlässlich der Beerdigung von Alaska, weil Chip dem Vater vorwirft, sich nicht genügend um Alaska gekümmert und ihr beim Tode der Mutter unberechtigte Schuldgefühle eingeredet zu haben. Im Buch kommt eine solche Szene nicht vor.

Außerdem gibt es im Buch eine Entfremdung zwischen Chip und einem seiner Freunde, Takumi, weil sich am Ende des Buches herausstellt, dass Takumi über den Grund des plötzlichen Aufbruches von Alaska in jener Schicksalsnacht, die zu ihrem Tode geführt hat, mehr weiß als die anderen, und er dies, weil er sich zeitweise aus der Gruppe ausgeschlossen fühlte, seinen Freunden verheimlicht hat. Diese Szene hatte ich im Buch als unnötig empfunden, sie wurde im Film glücklicherweise weggelassen.

Also: werkgetreue Umsetzung der Vorlage und Erweiterungen gegenüber der Geschichte, die durch das Serienformat möglich waren, wurden meines Erachtens klug und umsichtig umgesetzt, ohne den „Geist“ der Geschichte zu verraten. Musikalisch wurdnen Songs aus den Jahren um 2005 gewählt, was die ganze Geschichte noch authentischer wirken lässt.

Eine sehr eindrucksvolle Serie, wie ich finde, und meines Erachtens zeigt sich einmal wieder, wie klug es ist, wenn die Möglichkeit besteht, den Autor eines Werkes an der Verfilmung seines Buches mitwirken zu lassen. John Green war sehr zufrieden mit der Umsetzung seiner Geschichte. Meines Erachtens zu recht.
Das Lied: "I will follow you into the dark": https://www.youtube.com/watch?v=le6Pr2pYUKQ
Das Lied: "an honest mistake": https://www.youtube.com/watch?v=fv9fUv-SQMc

Im Hauptcast von "Looking for Alaska" sind folgende Schauspielerinnen und Schauspieler zu sehen:
• Charlie Plummer spielt Miles "Pudge" Halter
• Kristine Froseth spielt Alaska Young
• Denny Love spielt Chip Martin
• Jay Lee spielt Takumi Hikohito
• Sofia Vassilieva spielt Lara
• Landry Bender spielt Sara
• Uriah Shelton spielt Longwell
• Jordan Connor spielt Kevin
• Timothy Simons spielt The Eagle
• Ron Cephas Jones spielt Dr. Hyde
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