Albert Camus "Die Pest"




Literatur-Klassiker und historische Literatur

Albert Camus "Die Pest"

Beitragvon Gast » So 10. Aug 2008, 22:14

Albert Camus ?Die Pest"

Vor kurzem bin ich auf einen sehr interessanten Bücherflohmarkt gestoßen. Es gab keine offiziellen Preise für die Bücher, lediglich um eine Spende wurde gebeten. Es handelte sich um alte Bibliotheksbestände, die man los werden wollte, um einen neuen Bestand einzurichten.

Unter anderem habe ich mir dabei auch ?Die Pest? von Albert Camus angeeignet und der Roman hat es mir angetan, weshalb ich ihn hier gerne empfehlen will.

Die Handlung spielt im Jahre 194... in dem algerischen Küstenstädtchen Oran. Es beginnt mit ein paar toten Ratten und seltsamen Todesfällen in der Bevölkerung bis schließlich offiziell der Ausbruch der Pest bestätigt wird. Die Stadt und deren Bewohner werden ohne Vorwarnung von der Außenwelt abgeschottet, es gibt keine Möglichkeit der Kontaktaufnahme zur Außenwelt, denn auch Telegramme sind verboten. Dieser Zustand der strikten Quarantäne dauert kanpp ein Jahr und Camus führt den Leser mittels ambivalent angelegter Charaktere durch diese Zeit.

Die Entwicklung der Situation wird sehr eindringlich und durchdacht dargestellt und steht letztendlich doch für das Gesamtbild der Menschheit an sich.
Vom anfänglichen Verkennen der ernsten Lage, dem anschließenden Ausbruch der kopflosen Panik bis hin zur Phlegmatie und Selbstaufgabe zeigt Camus an Einzelschicksalen lebhaft dargestellt die vollkommene ?Funktionsweise? des Menschen.
Manche sind einem sympathischer und andere weniger, wie es wohl mehr oder weniger in jedem Roman der Fall ist, aber je tiefer man in die Charaktere, deren Biografie und Motivation vordringt, versteht man, dass es hierbei nicht um Sympathie geht.
Camus bringt einen dazu, zu verstehen.
Man entwickelt nach und nach Verständnis für jeden einzelnen in diesem Stück angelegten Charakter, weil man sich selbst, eigene Hoffnungen, Ängste, Verzweiflungen und jede Menge mehr in ihnen und ihren Handlungsweisen wiedererkennt.

Es gibt etliche Interpretationen zu diesem Werk des Philosophen Camus, u.a. auch Auslegungen auf den zweiten Weltkrieg, die durchaus gut zutreffen können. Sollte der Autor aber und in erster Linie beabsichtigt haben, den Lesern einen Spiegel vorzuhalten, dann ist ihm dieses Vorhaben m. M. nach sehr gut geglückt.
Umso bedrückender wirkt das Scheitern einzelner Personen an ihrem Schicksal, das Scheiter unserer eigenen Hoffnung.

Die Tatsache, dass Camus die grundlegendsten Emotionen des Menschen wie Verzweiflung, Angst, Sehnsucht, Zuversicht, Hoffnung, etc. in solch konzentrierter Reinform hinstellen konnte, verdankt er dem Rahmen, den er seinen Personen gegeben hat.
Sie befinden sich allesamt in einer absoluten Ausnahemsituation, abgeschottet von der Außenwelt haben sie nicht die Möglichkeit, ihre Emotionen in der Hektik und Anonymität des Alltags zu verlieren. Die Charaktere müssen sich, viele von ihnen zum ersten mal überhaupt, mit ihren Gefühlen, ihren Gedanken, ihrem Gewissen, ihrem Handeln auseinandersetzen und lernen jemanden kennen, mit dem sie bisher ihr ganzes Leben verbracht haben: sich selbst.

Die ständige emotionale Randlage und die sprachliche Intelligenz eines Albert Camus lassen dieses Buch an den Händen kleben, bis man die letzte Seite ausgelsen hat.

Zur Motivation und allgemeinen Erheiterung dient dieses Werk allerdings nicht, sondern hinterlässt gemäß der allgemeinen Philosophie Camus` die deprimierende Erkenntnis, dass der Mensch zwar vieles vermag, aber sich letztendlich permanent in einer solch absurden Situation befindet, dass selbst alles Handeln keinen Ausweg bringen kann. Das einzig Positive, das der Autor dem Leser zu erkennen gibt, ist die Fähigkeit des Menschen zur Liebe, in Liebe für andere Menschen handeln zu können und Liebe zu erhalten.
Dementsprechend wirken auch die Charaktere in dem Buch als Marionetten ihrer Umwelt, ihrer Gefühle und jeweiligen momentanen Situation, sprich des Absurdums, wie Camus es in seiner Philosophie beschreibt.

Ich bin kein Freund seiner Philosophie, aber dieses Buch ist auf eine Art und Weise geschrieben, die einen unmittelbar berührt, betrübt und vor den Gedanken stellt, dass der Mensch in seiner Unvollkommenheit doch stets um einen Ausweg aus seiner Situation bemüht ist.

Empfehlen kann ich dieses Buch v.a. denjenigen, die für den Bereich der philosophischen sowie sozialen Anthropologie Interesse hegen und nichts gegen ein bißchen deprimierende Kost einzuwenden haben. :wink:


Liebe Grüße
Trevor
Gast
 

von Anzeige » So 10. Aug 2008, 22:14

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Beitragvon frared » Mo 11. Aug 2008, 13:43

ich glaube ich hab das buch vor ein paar jahren gelesen, war aber eher unbeeindruckt aus irgendeinem grund. und ich glaube wir haben uns eine stelle im bezug auf 'ueberwachen und strafen' von foucault angeschaut. aber vielleicht verwechsele ich das.
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Beitragvon nevermore » Mo 11. Aug 2008, 16:31

Ich habe das Buch vor vielen Jahren, noch in der Schule, gelesen. Es geht mir damit wie Trevor: Es ist ein hervorragend geschriebenes Werk, emotional sehr berührend. Aber es ist auch sehr deprimierend und hat für mein Empfinden sogar fatalistische Züge.

Ich kann mit dieser Philosophie und Lebenseinstellung auch nicht viel anfangen, zumal das meiner Ansicht und Erfahrung nach auch leicht zu einer selbsterfüllenden Prophezeiung wird.
nevermore
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