[Bernhard Nowak]

Links:
Meine Rezension des Buches von Timo Vermes: http://www.hogshead.de/index.php?page=T ... #post12114
Filmkritik der "Zeit": http://www.zeit.de/2015/40/er-ist-wiede ... verfilmung
Filmkritik der "Münchener Abendzeitung": http://www.abendzeitung-muenchen.de/inh ... ff8eb.html


Ich war jetzt in dem Film und stimme der "Zeit"-Rezension zu: der Film hat mich deutlich mehr "gepackt" als das Buch. Warum? Weil er aus meiner Sicht "beunruhigender" ist. Als ich das Buch vor 4 Jahren gelesen habe, hatte ich das Hitler-Bild von Sebastian Haffner: "Anmerkungen zu Hitler" im Kopf: einen starren, kompromissunfähigen, grausamen Charakter. Aus Pickers "Tischgesprächen" wird aber ein anderer Zug des Diktators deutlich: "Mein ganzes Leben war überreden" - er benutzt den Begriff "überreden", nicht: "überzeugen". In dem Zusammenhang bei Picker geht es um die Eroberung der Macht - den Zugang zu Reichspräsident von Hindenburg über seine "Kamarilla", also insbesondere den Staatssekretär Dr. Otto Meißner.

Hier in dem Film überredet der Hitler-Darsteller auch. Doch ich empfinde den Film - vielleicht aufgrund der aktuellen Situation der Flüchtlingsproblematik und der gestiegenenen Probleme, die unser demokratisches politisches System zu bewältigen hat, als beunruhigender: Ist Hitler wirklich nur im comic-haften Sinne "wieder da?" Oder ist er nicht doch - wie der Hauptdarsteller annimmt - mehr in "unseren" Köpfen, als wir denken: "Ich war so populär, weil der Einzelne fühlte wie ich" - schleudert er Fabian Busch, dem fassungslosen Redakteu, entgegen, als dieser ihn entlarvt hat. Er, Hitler, habe sich doch nie verstellt, er habe immer gesagt, was er denke und woher er komme. Gegen Ende fährt ein triumphierender Hitler vor einer begeisterten Menge vorbei - ein bewußt provokantes Ende - die aber die Frage brennend aktuell werden lässt: kann ein solcher Mann - zweifellos mit Charisma ausgestattet - erneut Erfolg haben, wenn unser politisches System versagt? Wenn unsere politische Führung die drängenden Probleme des Landes nicht in den Griff bekommt? Die Frage muss man sich nach dem Film stellen - und sie beunruhigt - weit stärker, als mich das Buch vor 4 Jahren beunruhigt hat. Dieses ist dem Film gelungen - er packt.

Nach wie vor bleibe ich bei meiner in meiner Rezension geäußerten Meinung, dass der Buch-Hitler - und dies gilt auch für den Film-Hitler - nicht "authentisch" ist, auch wenn dies vielen Figuren so vorkommt (am eindrucksvollsten für mich im Film die Stelle, in der die demente Mutter einer Jüdin den bei der Familie zu Gast weilenden Hitler erkennt und mit einem lauten "Raus!" aus der Wohnung wirft); die Frage aber, ob der Mensch mittlerweile so "aufgeklärt" ist, dass sich Geschichte nicht mehr wiederholen kann, die bleibt in der Tat beunruhigend und höchst aktuell - und genau diese Frage stellt der Film in fast aufwühlender Art und Weise.

Auch die weiteren Protagonisten, insbesondere Katja Riemann und Thomas Thieme, Fabian Busch spielen hervorragend - wie auch Oliver Mascati, der Hitler-Darsteller selber, der seine Brutalität gekonnt hinter einer jovialen Maske versteckt. Auch die bohrende Frage, ob die Ergebnisse der Befragungen "echt" oder nur "geschauspielert" sind, bleiben offen: denken die befragten Leute wirklich, Hitler habe mit seinen heutigen Ansichten recht?

Auf jeden Fall bleibt für mich als Fazit des Filmes: "Der Schoß ist fruchtbar noch". Wenn die drängenden Probleme unseres Landes nicht in den Griff bekommen werden und der Wohlstand "flöten" geht - dann bleibt dies - die Geschichte hat dies immer wieder gezeigt - die Zeit für Rattenfänger und Ideologen. Dies verdeutlicht zu haben, darin liegt - für mich - das Verdienst des Filmes. Unbedingt sehenswert!