Gedanken zu Staffel 8 Folge 4 Game of Thrones
Erwartungen:
- Aufarbeitung der Schlacht gegen den Night-King und die Rolle von Varys dabei
- Vorbereitung auf den Kampf gegen Cersei in Winterfell
- Würdiger Abschied von den in Folge 3 gestorbenen Charakteren
Der Handlungsverlauf hat leider über die erste Erwartung – Aufarbeitung der Schlacht und Aufklärung über die Rolle des Night-King – nichts gebracht. Dies wird – wenn überhaupt – wohl erst in der finalen Staffel aufgeklärt werden.
Problem: jetzt wird das „Pacing“ m.E. wirklich zum Problem, denn wie sollen die vielen offenen Fragen in vermutlich nur einer Folge aufgeklärt werden, wenn die nächste Folge die „große Schlacht“ um Winterfell sein wird, wie Emilia Clark es ja schon angedeutet hat.
Die Vorbereitung auf den Kampf gegen Cersei in Winterfell nahm hingegen breiten Raum ein. Im Gegensatz zur Vorbereitung der Schlacht auf den Night King nehmen wir an den Strategieberatungen teil. Jon und Daenerys teilen sich. Der Kampf kann beginnen.
Der Abschied von den in Folge 3 gestorbenen Charakteren erfolgt analog zu den Szenen in den vorhergegangenen Staffeln, die damals alle in der Nachtwache stattfanden (man erinnere an die Rede von Sam etwa beim Abschied des greisen Aegon Targaryen). Dies wirkte mir zu schnell, auch wenn Jon Snow/Targaryen-Stark eine gute Rede gehalten hat.
Was ist noch passiert:
Die Überschrift der Folge halte ich erstmals für nicht zutreffend: ich hätte sie „Loyalty“ genannt, denn es geht um Loyalität; gegenüber Herrschern, dem Reich, der Familie. Daenerys ist – wie erwartet worden war – der Thronanspruch über die Sieben Königreiche wichtiger als ihre Liebe zu Jon, die in die Brüche gehen dürfte, obwohl Jon Daenerys erklärt, er werde auf die Krone der Sieben Königslande verzichten und sie sei seine Königin. Daenerys grollt: es könne alles nur dann so bleiben, wie es war, wenn Jon zu niemandem über seine Abstammung spreche. Macht geht eben auch Daenerys – wie Cersei – über alles. Und auch Sansa geht es um Macht: um Daenerys als Königin der Sieben Königslande zu verhindern und ihre Legitimität zu untergraben, hat sie nichts eiligeres zu tun, als Jon, der Bran dazu ermächtigt, das Geheimnis seiner Abstammung zu verraten, selber zu verraten und das Geheimnis Tyrion anzuvertrauen. Sehr nett, Sansa, wirklich!
Tyrion hat seine „großen“ Auftritte: um Loyalität geht es in dem wichtigsten Teil der Episode (für mich), seinem Gespräch mit Varys. Dies ist seit Staffel 4 die beste Screentime von Colin Hill und Peter Dinklage und Tyrion ist endlich wieder „groß“ und nicht nur „Stichwortgeber“. Es geht hier um Treue und Loyalität: Varys erkennt, dass Daenerys durchaus gefährlich sein könnte und hält Jon für den besseren König. Außerdem sei er ja – dies weiß Varys von Tyrion – der legitime König und ihm, Varys, sei es nie um Loyalität zu einer Person, sondern um das Beste für das Reich gegangen. Tyrion hingegen beschwört seine Loyalität gegenüber Daenerys: man müsse entscheiden, wem man glaube und für diese Person einstehen und dieser Loyalität entgegenbringen. Seine Loyalität gehöre Daenerys. Sansas Absicht, als sie Tyrion von Jons Herkunft erzählte, ist also nicht aufgegangen. Nichts erschüttert Tyrions Treue gegenüber Daenerys. Wir werden sehen, was diese Entscheidungen für Folgen haben werden: für Tyrion und für Varys, für Jon, Sansa und Daenerys. Wenigstens warnt Tyrion Varys eindringlich, Daenerys zu verraten (die ja laut Prophezeiung dreimal verraten werde).
Weiterhin prägen erneut Abschiede die Folge: Sam verabschiedet sich mit Gilly von Jon und teilt ihm nebenbei mit, dass er ein Kind erwarte. Das wars dann wohl für einen der prägenden Charaktere der voherigen Staffeln in der Serie. Er kann jetzt die Saga vom „Lied von Eis und Feuer“ als Chronik verfassen und weitergeben. Jon verabschiedet sich – sehr lieblos - von Ghost, den er bei Tormund im Norden lässt. Tormund möchte mit seinen überlebenden Wildlingen zurück nördlich der Mauer leben und Ghost soll mit ihm gehen. Dies sei für ihn besser, als in den Süden zu gehen. Sansa bemerkt gegenüber Tyrion, der Süden bekomme den Starks nicht. Die Parallelitäten zur Handlunssequenz zwischen Ned Stark und Jon sind beklemmend; tritt Jon nicht nur in Fragen der moralischen Integrität in die „Fußstapfen“ seines Ziehvaters und endet so wie sein Ziehvater und großes Vorbild? Ich fürchte es beinahe.
Vor dem großen „Showdown“ noch erwartbare – m.E. z.T. zu breit getretene – Entwicklungen, die – Stichwort „Pacing“ – m.E. in der Folge zu viel Raum einnehmen: eine Liebesgeschichte zwischen Gendry und Arya (Gendry wurde von Daenerys, um sich im Norden beliebt zu machen, zum „Lord von Sturmkamp“ ernannt, obwohl er von Robert Baratheon abstammt) bahnt sich zwar an, aber Arya will nicht „Lady von Sturmkamp“ werden und weist Gendrys Heiratsantrag ab. Sorry, Gendry. Jaime schläft mit Brienne (irgendwie unpassend m.E. nach den wunderbaren Szenen in Folge 3). Doch auch dann verwandelt sich die zunächst triviale Szene in einen großartigen Schluss: Jaime will heimlich Winterfell verlassen, um bei Cersei zu sein, wenn das Ende – womit er rechnet – naht. Brienne bittet ihn unter Tränen, nicht nach King`s Landing zu gehen und dort zu sterben, doch Jaime erklärt ihr, dass er Cersei trotz ihrer Abscheulichkeit geliebt habe. Er sei selber abscheulich, habe – um bei Cersei zu sein – seinen Vetter erwürgt und Bran aus dem Fenster geworfen, damit ihr Liebesverhältnis nicht entdeckt würde. Wir ahnen es schon: bald werden wir uns von Jaime verabschieden müssen. Gut gelungen hier, dass Jaime selber sich nicht als blütenrein weißen Charakter beschreibt, den viele Fans seit seiner Entwicklung in den diversen Staffeln in ihm sehen, sondern er der Beschreibung von GRRM als „grauer Charakter“ treu bleibt. Neben den Tyrion-Varys-Szenen ist diese finale Szene zwischen Brienne und Jaime m.E. wirklich gelungen.
Ob dieses so von dem Zusammentreffen der Lannister-Brüder mit Bronn gesagt werden kann, der urplötzlich – wo kommt er her? – in Winterfell auftaucht? Einerseits ist die Charakterisierung von Bronn gut gelungen: er tötet Jaime und Tyrion nicht etwa deshalb nicht, weil er freundschaftliche Gefühle für beide über den „Nutzen“, den deren Ermordung ihm brächte, stellt, sondern, weil Tyrion ihm Rosengarten als „Lohn“ verspricht. Bronn erklärt auch deutlich, dass sich die Brüder hüten sollten, ihm diesen versprochenen Lohn zu verweigern; er werde sie nach gewonnener Schlacht finden und töten, wenn sie ihr Versprechen nicht einhielten. Und er wendet sich nur deshalb von Cersei ab, weil er ihre Chancen, das „Game of Thrones“ zu gewinnen, als sehr gering einschätzt. So weit, so realistisch die Charakterisierung Bronns. Dennoch kommt mir die Szene zu sehr aus heiterem Himmel und Jaime und Tyrion macht es offenbar gar nichts aus, ihren potentiellen Meuchelmörder laufen zu lassen. Die Szene hat m.E. etwas von „Abharken“. Dies gilt – einer meiner Hauptkritikpunkte – auch für Rhaegals Tod. Gerade haben wir uns gefreut, dass er – zwar verletzt, aber wohlauf – die Schlacht in Winterfell überlebt hat, da schießt ihn Euron mit speziel gefertigten Waffen vom Himmel. Klar, was die Intention der Macher war: Euron und Cersei sind die wahren gefährlichen Gegner – wie es Colin Hill, der Varys-Darsteller, in einem Interview gesagt hat und Daenerys Sieg gegenüber Cersei ist absolut nicht sicher. Es scheint nach dieser Staffel wirklich alles offen; die anfängliche Überlegenheit von Daenerys ist nach der Schlacht gegen den Night-King, die sinnlose Opferung der Dothraki und jetzt den Verlust von Rhaegal – nach Viserions Tod – nicht mehr vorhanden. Dies merkt man auch daran, dass es Euron gelingt, das Schiff, auf dem die Verbündeten von Daenerys sich befinden, so zu beschießen, dasss es sinkt und die Überlebenden ans Ufer flüchten müssen. Und da stellt sich heraus: Missandei wurde gefangen genommen.
Absolut genial: die Schlussszene: Tyrion verhandelt zunächst mit Quyburn, Daenerys und ihre verbliebenen Truppen warten vor den Toren Winterfells, Cersei blickt von den Zinnen unter lauter bewaffneten (ganz Winterfell scheint mit speziellen Wurfgeschossen gegen den verbliebenen Drogon ausgerüstet zu sein) Kriegern hämisch auf Tyrion, der sich in einer grandiosen Rede an Cersei selber wendet und an das einzige appellliert, was diese noch „menschlich“ macht: ihre Liebe zu ihren Kindern. Doch dies interessiert sie offenbar nicht; dennoch scheint Tyrion, der sagt, er habe erlebt, dass Cersei nicht das Monster sei, zu dem sie gemacht werde (eine Anspielung auf seine eigene Rede in Staffel 4, Episode 6), etwas in seiner Schwester angerührt zu haben: die Schauspielkunst und die Gesichtszüge von Lena Headey einfach großartig in dieser Szene – aber auch „Tyrion on his best.“ Einfach sehen,
vgl. hier: https://www.youtube.com/watch?v=7o6JCU83Ass
Mich hat keine Szene – zumindest in Staffel 8 – so sehr gepackt wie diese Endszene, die natürlich tragisch endet: Cersei lässt Tyrions Appell an sich abprallen und gesteht Missandrei noch „letzte Worte“ zu. Missandei, flehentlich auf Greyworm und die danebenstehende Daenerys blickend, weiß dass sie sterben wird. Sie ahnt, dass es mit Cersei keinen Kompromiss geben kann: Rivalen werden in der Kultur der Dothraki getötet. Und so ruft sie „Dracaris“; eine Aufforderung an Daenerys, ihren letzten Drachen zur Vernichtung Königsmunds und Cerseis einzusetzen. Verzweifelt wendet sich Tyrion von der Szene ab. Seine Vermittlungsbemühungen sind fehlgeschlagen, er ist auf voller Linie gescheitert. Daenerys wendet sich mit hasserfülltem Gesichtsausdruck von Cersei und King`s Landing ab und kehrt zu ihren Truppen zurück. Cliffhanger. Ende. Großartig!
In der Bewertung tue ich mich jetzt etwas schwer. Emotional hat mich diese Schlussszene – aber auch die letzte Szene zwischen Jaime und Brienne – so gepackt wie kaum eine andere Szene seit Hodors Tod in Staffel 6. Dennoch muss die Folge Fehler der vorherigen Episoden „ausbaden“. Es fehlt eine Reflexion über den Sieg über den Night-King, die Rolle von Varys, es gibt aus meiner Sicht zu viele Szenen, wo einfach etwas abgeschlossen oder abgeharkt werden soll: Rhaegars Tod, der Abschied Jons von Ghost hätten aber mehr Screentime verdient, um emotional wirklich „packen“ zu können. Ich kann den Zorn einiger Fans über Jons "schnöder" Behandlung von Ghost - er streichelt ihn noch nicht einmal - nachvollziehen. Die Liebsszenen, etwa zwischen Gendry und Arya, das unmotivierte Auftauchen Bronns, wirken ebenfalls auf mich zu sehr wie ein notwendiges „Abharken“ von offenen Entwicklungen. Aber dass die Folge insgesamt die beste aller bisherigen Folgen dieser Staffel ist, steht für mich außer Frage. 4 Punkte (Folge 1: 3 Punkte, Folge 2: 3,5 Punkte, Folge 3: 1,5 Punkte).