Drehbuch: Chris Carter
Regie: R. W. Goodwin
Bei einem öffentlichen Schachturnier in Vancouver wird ein russischer Schachmeister erschossen. Als Mulder das Überwachungsvideo sieht, erkennt er, dass das eigentliche Ziel des Anschlags das Gegenüber, ein zwölfjähriges Schachwunderkind, war. Er vermutet, dass der Junge eine telepathische Begabung hat. Zusammen mit Scully versucht er, die Hintermänner des Anschlags ausfindig zu machen und herauszufinden, was es mit dem Jungen auf sich hat.
"The End" ist in mehrerlei Hinsicht das Ende einer Ära der X-Akten. Es ist die letzte Episode, die in Vancouver gedreht wurde, bevor die Show nach Los Angeles übersiedelte. Zum ersten Mal in der Serie ist der Drehort auch der Ort des Geschehens; die vielen Zuschauer beim Schachturnier gleich zu Beginn der Episode wurden aus Akte X-Fans in Vancouver rekrutiert. "The End" sollte ursprünglich auch tatsächlich das Ende von Akte X als TV-Serie sein; der Plan war, die Show in ein Kinofilm-Franchise zu überführen. (Daraus wurde dann zunächst einmal nichts, so dass die Serie nach dem ersten Kinofilm "Fight the Future" mit der sechsten TV-Staffel in Los Angeles weiterging.) In dem Schachspiel sitzen sich ein russischer Großmeister und das zwölfjährige Wunderkind Gibson Praise gegenüber. Gerade als der Junge den Großmeister schachmatt gesetzt hat, zielt ein Heckenschütze in Richtung der Spieler und erschießt den Großmeister. Das eigentliche Ziel des Anschlags war allerdings Gibson, der sich rechtzeitig vor der Kugel wegducken kann. Der Schütze ist ein früherer NSA-Agent; er wird gefasst, verweigert aber jede Aussage.
Geleitet werden die Ermittlungen nach den Hintergründen des Attentats von Jeffrey Spender, dem der Fall vom Raucher zugeschanzt wurde, und der ausdrücklich nicht wollte, dass Mulder an den Ermittlungen beteiligt wird. Durch Skinners Intervention wird Mulder aber dennoch Teil des Ermittlungsteams. Ebenfalls mit von der Partie ist Agent Diana Fowley, eine ehemalige FBI-Partnerin und Lebensgefährtin von Mulder, die mit ihm an den X-Akten arbeitete, bevor Scully Mulder zugeteilt wurde, und die sich zwischenzeitlich in Europa aufhielt. Natürlich geraten Mulder und Spender gleich bei der ersten Sitzung aneinander; Spender führt dem Ermittlungsteam das Überwachungsvideo vor, erkennt aber nicht, dass Gibson das Ziel des Anschlags war, und Mulder stellt ihn öffentlich bloß. Auch später in der Episode gibt es einige Zusammenstöße zwischen den beiden.
Fowley hat einen Hintergrund im Bereich der Parawissenschaften und war Mulders Lebensgefährtin, als er von der Akademie kam (es ist auch möglich, dass die beiden verlobt oder verheiratet waren, was den Ehe- oder Verlobungsring erklären würde, den Mulder in "Unusual Suspects" und "Travelers" trägt). "She was there when he discovered the X-Files", erklärt Langly auf Scullys Nachfragen. Scully ist durch Dianas Anwesenheit offensichtlich irritiert, scheint Diana doch die einzige zu sein, die Mulder ebenso gut wie Scully (oder vielleicht sogar noch besser) versteht. Dass Scully auf weibliche Konkurrenz eifersüchtig reagiert, lässt sich nun wirklich nicht mehr übersehen. Die Untersuchungen mit Mulder zusammen, die Fowley erwähnt ("Agent Mulder and I spent some time in psychiatric hospitals. There were some patients serving criminal sentences who we felt had been misdiagnosed.") könnten aus frühen Arbeiten an den X-Akten stammen oder noch aus seiner Zeit als Profiler. Fowley erhielt dann 1991 einen Auftrag in Europa, um über arabische Terrorzellen zu ermitteln.
Gibson Praise, das Wunderkind, wird von Mulder als eine Art Heiliger Gral dargestellt, das "Missing Link", das die Lösung seiner Suche nach der Wahrheit ist: "[T]he answers I might have spent a lifetime searching for may fall together like a million puzzle pieces." Gibson wurde zum Schachwunderkind, indem er die Gedanken seiner Gegner liest. Seine telepathischen Fähigkeiten ermöglichten ihm auch, das Attentat auf dem Schachturnier zu antizipieren. Fowley führt mit ihm eine Reihe von Tests auf telepathische Fähigkeiten durch, die Gibson allesamt mit Bravour besteht. Unter den Tests sind Kartentests, die von den bekannten Zener-Karten abgeleitet sind und bei denen die Testperson herausfinden muss, was das Symbol auf der Karte ist, die ihr Gegenüber verdeckt in der Hand hält und an das die Person denkt. Auch Scully untersucht das Kind und führt neurologische Tests durch anhand eines Spezial-EEGs. Wie sie sagt, zeigen die Resultate eine außergewöhnliche Aktivität im Temporallappen von Gibsons Gehirn, "an area of the brain that we are only beginning to understand". Der Begriff des "Gottesmoduls" fällt in der Episode; es ist eine Bezeichnung, die man in den späten 1990er Jahren dem Temporallappen gab, weil eine Studie zu dem Ergebnis kam, dass religiöse Erfahrungen zu einer erhöhten Gehirnaktivität in diesem Bereich führten. (Neuere Studien legten demgegenüber nahe, dass an solchen Erfahrungen mehrere Gehirnregionen beteiligt sind.) Mulder glaubt, mit den Ergebnissen den Schlüssel zu einem Beweis aller spirituellen paranormalen Phänomene gefunden zu haben: "This kid may be the key not just to all human potential, but to all spiritual unexplained paranormal phenomena. The key to everything in the X-Files", und auch Scully bezeichnet ihre Erkenntnisse als "quantifiable scientific proof of everything Agent Mulder and I have investigated over the past five years". Mulder ist die Sache so wichtig, dass er dem Attentäter im Austausch gegen sein Wissen Immunität verspricht, selbst wenn das bedeutet, dass er die X-Akten dafür riskiert.
Der Attentäter bezeichnet Gibson als das "missing link", woraus Mulder folgert, dass Gibson der genetische Beweis einer Verbindung zwischen Außerirdischen und Menschen ist. "Most of us have genes we don't use. They lie there dormant, turned off. Science doesn’t know what they're for, or where they came from." Es geht um die so genannte Junk-DNA, oder nicht-kodierende DNA, DNA-Abschnitte, die nach heutiger Kenntnis funktionslos sind. Akte X führt hier erstmals die Theorie ein, dass diese Gene im Zusammenhang mit Außerirdischen stehen: "There's a long-held but unpopular theory tied to prehistoric evidence of alien astronauts." - "You're not going to go out there and say the kid's part alien." Wirklich klar wird der Zusammenhang mit den Außerirdischen an dieser Stelle der Serie noch nicht.
Das Syndikat will Gibson beseitigen, da er ein zu offensichtlicher Hinweis auf die Verbindung zu den Außerirdischen ist. Mit dem Attentat auf dem Schachturnier hätte man den Eindruck erwecken können, dass sein Tod ein Unfall war, und das eigentliche Ziel der russische Großmeister war. Man hätte so einen diplomatischen Zwischenfall hervorgerufen und die Aufmerksamkeit von Gibson abgelenkt. Gibson jedoch antizipierte den auf ihn gerichteten Schuss, und der Anschlag schlug fehl. Das Syndikat setzt nun den - von Krycek aus seiner Hütte in Kanada zurückgebrachten - Raucher auf die Angelegenheit an. Der sorgt dafür, dass der Attentäter im Gefängnis erschossen wird. Des Weiteren kümmert er sich um einige Familienangelegenheiten. Nachdem er im "Redux"-Zweiteiler vergeblich versucht hat, Mulder auf seine Seite zu bringen, ist sein nächstes Ziel sein Sohn Jeffrey. Der Raucher war es, der dafür gesorgt hat, dass Jeffrey den Gibson Praise-Fall bekam; in "The End" gibt er sich Jeffrey offen als sein Vater zu erkennen. Die Begegnungen wirken fast, als nähme er Jeffrey auf einen Initiationslehrgang. "Control the board. Know which men to sacrifice and when. " ... "Don’t become part of someone else’s cause or crusade. Pursue your own self interest. Always."
Schon im "Cassandra"-Zweiteiler wurden die beiden Charaktere Mulders und Jeffrey Spenders miteinander kontrastiert; hier in "The End" wird die Gegenüberstellung weitergesponnen. Während Mulder für seine Suche nach der Wahrheit seine Karriere hintenangestellt hat (manche würden sagen, er hat sie weggeworfen) und in "Redux II" das Angebot des Rauchers, dem Syndikat beizutreten, abgelehnt hat, nimmt Spender hier das Hilfsangebot seines Vaters an, und wird damit endgültig von einem etwas nervigen Hindernis zu einem echten Antagonisten. Als Mulder Spenders Kontakte zum Raucher herausfindet, sorgt dies für zusätzlichen Zündstoff zwischen beiden, denn Mulder verdächtigt ihn nun erst recht der Kooperation mit dem Syndikat. Mulder ist ein weitaus besserer Agent als der unerfahrene Spender, dem noch dazu überhaupt nicht klar ist, wo er da hineingeraten ist.
Nichtsdestoweniger hat sich Mulder mit dem Immunitätsersuchen für den Attentäter verpokert; am Ende passiert das, wovor er gewarnt worden ist. Das Justizministerium schließt die X-Akten, Mulder und Scully sollen anderen Stellen zugewiesen werden. Diana Fowley wird angeschossen und liegt im Krankenhaus und Gibson Praise landet in den Händen des Syndikats. Zu allem Überfluss aber steckt der Raucher das Kellerbüro in Brand, und fünf Jahre Arbeit von Mulder und Scully gehen in Flammen auf. Die einzige Akte, die unversehrt davon kommt, ist Samanthas - sie wird vom Raucher mitgenommen.
In "The End" ist wieder sehr viel, vielleicht zu viel los, und das ist eigentlich der Hauptkritikpunkt an der Episode. Die ganze Bedeutung von Gibson Praise, weswegen er so zentral für die X-Akten ist, warum das Syndikat ihn erst loswerden und dann seiner habhaft werden will, und vor allem die von Mulder angedeutete Beziehung zu den Aliens wird allenfalls andeutungsweise erklärt. Das kommt in Akte X zwar öfter vor, aber hier in "The End" ist das selbst für die Serie äußerst kryptisch, besonders, wenn man in Betracht zieht, dass die Folge eigentlich als Finale der TV-Serie vorgesehen war. Auf die Erklärung der Zusammenhänge muss man bis in die sechste und siebte Staffel warten, zum Zeitpunkt von "The End" steht der Zuschauer wieder mal vor diversen Rätseln. Nichtsdestoweniger ist "The End" eine spannende Episode, und mit den Zusammentreffen Mulders mit Jeffrey Spender und Scullys mit Diana Fowley ist einiges an Konfliktpotenzial gegeben. Sehr willkommen ist die Rückkehr des Rauchers und Kryceks, auch wenn letzterer in "The End" nicht allzuviel zu tun hatte. Auch Skinners Unterredung mit Mulder im Kellerbüro über die interessante Frage, was Mulder eigentlich genau zu finden hoffe und was er tun würde, wenn er am Ende seiner Suche angekommen ist, war interessant, aber auch dieser Punkt wurde lediglich angerissen. Hochdramatisch und emotional war natürlich das Ende, als Mulder und Scully das zerstörte Kellerbüro betreten. Die Einstellung mit den Überresten des "I Want To Believe"-Posters ist eines der denkwürdigsten Bilder der Serie, und Mulders und Scullys stumme Verzweiflung ist großartig inszeniert und gespielt. Insgesamt wirkt "The End" jedoch leider etwas überfrachtet, und vor allem für ein geplantes Serienfinale bleibt doch zu vieles in der Luft hängen. Ein Zweiteiler wäre vielleicht besser gewesen. Ich vergebe knappe fünf Zenerkarten dafür.