Akte X - Staffel 6




Alles zu Chris Carters Mystery-Serien Akte X, MillenniuM und The Lone Gunmen

Re: Akte X - Staffel 6

Beitragvon nevermore » So 6. Okt 2019, 14:30

Folge 20, Staffel 6: "Suzanne / Three of a Kind"

Drehbuch: Vince Gilligan & John Shiban
Regie: Bryan Spicer



Zehn Jahre, nachdem sich die Lone Gunmen nach ihrer ersten Begegnung mit Susanne Modeski zusammengefunden haben, hofft Byers immer noch, sie eines Tages wiederzusehen und besucht deshalb mit Langly und Frohike immer wieder Messen, die von Regierungsbehörden veranstaltet werden. Auf einer Militär-Messe in Las Vegas glaubt Byers nun tatsächlich, Susanne gesehen zu haben. Mit einem Trick locken die drei Scully nach Las Vegas; sie soll ihnen helfen, die vermeintlich gehirngewaschene Susanne zu befreien. Es stellt sich heraus, dass Susanne in ein Komplott um Droge zur Gedankenkontrolle verwickelt ist.

"Three of a Kind" ist ein Sequel zur Staffel 5-Episode "Unusual Suspects", in der Byers, Frohike und Langly sowohl Mulder als auch Susanne Modeski kennenlernten (ihr Vorname ist im deutschen Episodentitel falsch geschrieben) und sich nach Susannes Entführung durch Regierungsmitarbeiter zu den Lone Gunmen zusammenfanden. Während in "Unusual Suspects" nur Mulder beteiligt war, sind die drei diesmal mit Scully alleine unterwegs. Seit Susannes Entführung vor zehn Jahren hat Byers die Hoffnung nicht aufgegeben, seine große Liebe wiederzusehen, und sucht mit Langly und Frohike immer wieder Messen der Regierung auf, zum einen, um sich über neue Regierungsprojekte auf dem Laufenden zu halten, zum anderen aber auch in der Hoffnung, irgendwann Susanne über den Weg zu laufen. Auf einer Militärmesse in Las Vegas ist es nun soweit - Byers entdeckt sie unter den Anwesenden. Da er sicher ist, dass Susanne immer noch gegen ihren Willen festgehalten wird, locken die drei mit einem Trick Scully nach Las Vegas. Wie sich herausstellt, ist Susanne mit dem Waffenforscher Grant Ellis hier, mit dem sie inzwischen auch verlobt ist. Nach ihrer Entführung hat man Susanne gezwungen, gegen ihren Willen an der Entwicklung einer Droge zur Gedächtniskontrolle mitzuwirken. Grant erweckte den Eindruck, Susanne helfen zu wollen, indem er die Arbeit an der Droge zu verzögern schien. Tatsächlich war die Droge aber schon fertig entwickelt, und der Plan, so machte Grant Susanne glauben, war, nach dieser Messe aus dem Regierungsprogramm zu fliehen und an die Öffentlichkeit zu gehen. Wie sich herausstellt, hat Grant aber Susanne getäuscht und die Droge längst an die Regierung weitergegeben. Er versucht nun, Susanne zu beseitigen und alle, die das verhindern könnten, mit Hilfe der Droge kaltzustellen. Am Ende geht sein Plan aber nicht auf, er wird selbst getötet und Susanne ist mit neuer Identität wieder frei.

"Three of a Kind" ist eine recht spannende und auch - wie bei Beteiligung der Lone Gunmen zu erwarten - humorvolle Episode, die aber an den Vorgänger "Unusual Suspects" aus mehreren Gründen nicht herankommt. Vor allem fehlt ihr ein Äquivalent zu den Charakterbögen von Byers und Mulder, die "Unusual Suspects" auszeichneten. Byers ist hier nicht der brave Regierungsangestellte, der die Wahrheit über die Regierung, für die er arbeitet, herausfinden muss, sondern er kennt diese Wahrheit bereits. Seine Motivation besteht lediglich darin, Susanne wiederzufinden. Mulder, der in "Unusual Suspects" ebenfalls vom gutgläubigen FBI-Agenten zum Verschwörungstheoretiker wurde, ist in der Folge gar nicht anwesend; Scully, die statt seiner agiert, ist lediglich Beifahrerin. Die Art und Weise und die Begründung, weswegen Scully zu dem Fall hinzugezogen wurde, wirkte auf mich auch ziemlich konstruiert.

Zum übergreifenden Handlungsbogen und zu weiteren Hintergründen über die Historie von Mulder, Scully, den X-Akten oder den Lone Gunmen trägt "Three of a Kind" nichts bei. Der Bogen von Byers und Susanne wird in der Folge auch nicht abgeschlossen; Byers geht nicht mit Susanne mit, Susanne trennt sich auch nicht endgültig von ihm, sondern stellt ein Wiedersehen irgendwann in Aussicht. "Three of a Kind" ist in diesem Charakterbogen lediglich ein ziemlich langer Mittelteil. Susanne kommt leider in "Three of a Kind" auch ein wenig dusselig herüber; das Drehbuch versucht zwar, ihre Beziehung mit Grant Ellis plausibel darzustellen, aber Grant ist so offensichtlich ein Schleimer, dass es schon etwas blauäugig erscheint, sich von ihm derartig einwickeln zu lassen. Vor allem, wenn man sich daran erinnert, wie misstrauisch sie in "Unusual Suspects" noch war. Vielleicht hat sie ja etwas von ihrer eigenen Droge abgekriegt. Was das ganze Manöver, Grant mit Susanne zusammenzubringen, überhaupt sollte, war mir auch nicht ganz klar.

Der Folge gelingt es, den Spannungsbogen zu erhalten, vor allem die scheinbare Kontrolle von Langly ist gut gelungen. Vor allem aber lebt "Three of a Kind" von den humorvollen Momenten um die Lone Gunmen und der unter der Droge völlig uncharakteristisch agierenden Scully. Diese Szenen sind von Gillian Anderson großartig gespielt. Es gibt auch einige schöne Charakterszenen, so der Teaser, in dem Byers seinen Traum von einer US-Regierung im Dienste der Menschen und einem Familienleben mit Susanne erzählt, der jedesmal damit endet, dass er alles verliert. Auch die Szene mit Frohike, der ansonsten immer wieder anzügliche Bemerkungen Scully gegenüber macht, hier aber verhindert, dass sie sich unter der Droge stehend zum Affen macht und von anderen Männern ausgenutzt wird, war sehr schön. Nett war auch der Gastauftritt von Morris Fletcher aus der Doppelfolge "Dreamland", bei dem sich Scully für den Klaps auf den Hintern revanchiert. Letztlich ist "Three of a Kind" aber eine recht unterhaltsame Füll-Episode. Ich vergebe vier Beutel Theater-Blut dafür.
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Re: Akte X - Staffel 6

Beitragvon nevermore » Mo 7. Okt 2019, 20:57

Folge 21, Staffel 6: "Sporen / Field Trip"

Drehbuch: Frank Spotnitz, Vince Gilligan & John Shiban
Regie: Kim Manners



In einem Wald in North Carolina verschwindet ein junges Ehepaar. Drei Tage später werden ihre Skelette ohne Kleidung gefunden. In der Autopsie wird ein Sekret entdeckt, das Verdauungsflüssigkeit ähnelt. Als Mulder im Wald nach Hinweisen sucht, entdeckt er die Totgeglaubten wohlbehalten in einer Höhle. Sie behaupten, von Außerirdischen entführt worden zu sein - während er selbst für Scully nicht mehr zu erreichen ist. Als sie sich auf die Suche nach ihm macht, verschwindet auch sie.

Viele Episoden der sechsten Staffel thematisieren die Frage, was real ist und was nur in den Köpfen der Protagonisten existiert. So auch "Field Trip", in der Mulder und Scully in einer aktiven gemeinsamen Halluzination gefangen sind. Die Handlung ist möglicherweise inspiriert von der Entdeckung eines riesigen Pilzgewächses in den Blue Mountains in Oregon im Jahr 1992: "Biologists have found specimens that range dozens of acres that weigh hundreds of tons." Hier sind die Brown Mountains in North Carolina der Ort, an dem die Episode spielt.

Mulder überzeugt Scully, mit ihm nach North Carolina zu kommen, wo die Skelette des Ehepaars Wallace und Angela Schiff entdeckt wurden, die nur drei Tage zuvor verschwunden sind. Eine Verwesung bis aufs Skelett innerhalb von drei Tagen ist praktisch unmöglich; rätselhaft ist auch, dass die Kleidung der beiden Leichen fehlt. Mulder glaubt, dass ein örtliches atmosphärisches Phänomen, genannt die "Brown Mountain Lights", das von Manchen auf Außerirdische zurückgeführt wird, im Spiel ist, aber Scully ist wie immer skeptisch und hält einen Ritualmord für wahrscheinlicher. Beim Besuch beim örtlichen Gerichtsmediziner stellt sich heraus, dass die Skelette mit einem gelblichen Schleim bedeckt sind, der Verdauungsenzyme und Halluzinogene eines Pilzes enthält. Im weiteren Verlauf der Untersuchung begeben sich erst Mulder und dann Scully an den Ort, wo das Ehepaar verschwunden ist, und fallen selbst der Substanz zum Opfer. Ein riesiges unterirdisches Pilzgeflecht erzeugt Halluzinationen, um seine Opfer ruhig zu stellen und sie zu verdauen. Mulder und Scully erleben die Halluzinationen sowohl jeder für sich als auch gemeinsam - unter anderem begegnet erst Mulder, dann auch Scully den totgeglaubten Schiffs zusammen mit einem Alien, das Mulder entführt haben soll, Scully findet das Skelett Mulders und muss an einer Trauerfeier für ihn teilnehmen, und beide zusammen schließlich finden sich in Skinners Büro zum Bericht über den Fall wieder, ohne zu wissen, wie sie dorthin gekommen sind.

"Field Trip" lebt zum einen vom Verwirrspiel um die Frage, was Halluzination ist und was Realität, mehr noch aber davon, wie diese Halluzinationen als Charakterstudie über Mulder und Scully eingesetzt werden. Produzent Frank Spotnitz hat "Field Trip" mit der Staffel 4-Episode "Bad Blood" verglichen. In beiden Episoden wird die Handlung einmal aus Mulders und einmal aus Scullys Perpektive erzählt, was einiges darüber aussagt, wie die beiden sich selbst und den jeweils anderen sehen. Während "Bad Blood" dies in komödiantischer Form tat, ist "Field Trip" eine ernstere Annäherung an das Thema. Die Halluzinationen, die die beiden erleben, sind nicht zufällig, sondern bieten ihnen die Möglichkeit, einen gewissen Abschluss ihrer bisherigen Entwicklung zu finden. Die Motivation wird in einem Dialog zu Beginn der Episode dargestellt: "Mulder, can't you just for once, just for the novelty of it, come up with the simplest explanation, the most logical one, instead of automatically jumping to UFOs or Bigfoot or…?" - "Scully, in six years, how… how often have I been wrong? No, seriously. I mean, every time I bring you a case we go through this perfunctory dance. You tell me I'm not being scientifically rigorous and that I'm off my nut, and then in the end who turns out to be right like 98.9% of the time? I just think I've… earned the benefit of the doubt here." "Field Trip" befasst sich mit der Frage, was es bedeuten würde, wenn sich die Sichtweise eines der beiden ultimativ als richtig erweist.

In Mulders Halluzination bringt er Scully zu seinem Apartment, um die totgeglaubten Schiffs zu treffen, ebenso wie einen außerirdischen Grauen, den er entführt und in seinem dritten Zimmer einquartiert hat (der Graue scheint damit kein Problem zu haben). Er hat damit Scully den Beweis erbracht, dass Außerirdische tatsächlich existieren: "I was out there… and I found it. The truth." Mehr noch, er hat die entführten Schiffs gerettet, und kann telepathisch mit dem Außerirdischen kommunizieren. Das dürfte so ziemlich das perfekte Ende der gesamten Serie nach Mulders Wünschen sein. Das einzige, was noch fehlt, ist Scullys Eingeständnis, dass er recht hatte, und auch das bekommt er in seiner Halluzination. "I… I don't know what to say, Mulder. Where to begin. I mean, you… you were right. All these years, you were right." Es ist genau das, was er all die Jahre hören wollte - und doch ist es der Moment, in dem Mulder merkt, dass hier etwas nicht stimmt: "That, uh... doesn't sound like you, Scully. It, uh... God, I can't believe you're buying this." Als Scully nun darauf beharrt, dass Mulder recht hatte, übernimmt Mulder ihren Part: "Uh, this doesn't make any sense. These two. Their story. Their skeletons. None of it."

In Scullys Halluzination erweist sich ihre Vermutung als richtig; es handelt sich nicht um ein paranormales Phänomen, geschweige denn um Außerirdische, sondern es ist ein Ritualmörder am Werk. Er hat nicht nur die Schiffs, sondern auch Mulder ermordet - damit Scully recht behalten kann (und bereits der Geist Lyda in "How the Ghosts Stole Christmas" glaubte ja, dies sei Scullys einziges Lebensziel), muss Mulder sterben, der fast immer recht hat und ihr deshalb immer im Wege steht. Als dies nun eintritt, und ihr alle bestätigen, dass sie recht hatte mit ihrer Ritualmord-Theorie, reagiert sie ähnlich wie Mulder in seiner Halluzination, und wehrt sich mit Händen und Füßen dagegen: "Sir, this one makes no sense at all." - "What the hell is wrong with everybody?! You guys, there are unanswered questions here! Am I the only one that's asking them?! ... Look, something else is going on here. Am I the only one who thinks that?!" Ähnlich wie Mulder am Ende seiner Halluzination die Rolle von Scully einnahm, übernimmt sie in ihrer Halluzination seinen Part.

"Field Trip" handelt davon, dass sich beide Figuren seit dem Pilotfilm enorm weiterentwickelt haben. Während in "Bad Blood" die Sichtweise der beiden noch unvereinbar erschien, sind sie in "Field Trip" beide in der Lage, die Welt durch die Augen des jeweils anderen zu sehen und sogar, dessen Rolle einzunehmen. Als Scully als rationaler Gegenpart sozusagen "ausfällt", ist es Mulder, der seine eigenen Überzeugungen in Frage stellt (es erinnert etwas an die religiösen Folgen, in denen Scully ebenfalls ihre Rolle als Skeptikerin nicht erfüllt und Mulder an ihre Stelle tritt). Umgekehrt ist Scully bereit, die Möglichkeit paranormaler Geschehnisse zu akzeptieren, wenn Mulder nicht anwesend ist (auch hierfür gibt es einen Präzedenzfall, die Episode "Tithonus", als Scully mit einem anderen Partner ermitteln muss, der von paranormalen Dingen überhaupt nichts wissen will). Schritte in diese Richtung gab es übrigens schon in der Episode "Folie à Deux", als am Ende auch Scully das Monster so wie Mulder sah.

Interessant ist auch, in welcher Weise die Halluzinationen das jeweilige Weltbild der beiden zeichnen. Mulders Weltbild scheint - nicht verwunderlich - ein sehr romantisches und hoffnungsvolles zu sein. In Mulders Halluzination sind die Schiffs am Leben, obwohl man schon ihre Skelette gefunden hat, das entführte Alien macht einen friedlichen, schüchternen und beinahe schon unschuldigen Eindruck. Bei allem scheinbaren Zynismus träumt Mulder von einer Welt, in der jeder gerettet werden kann, selbst die, die schon tot sind. Scullys Halluzination hingegen ist trübselig und pessimistisch. Nicht nur ist Mulder tot, jedermann sagt ihr, sie müsse das akzeptieren, und selbst den sonst so tatkräftigen Lone Gunmen fällt nichts anderes mehr ein, als nach Wegen zu suchen, Rache zu üben ("We'll find him. We'll find him, and we'll make him pay."). Es gibt in dieser Welt nichts Mysteriöses und Wunderbares, nur kalte logische Rationalität. Ich fühlte mich an eine Aussage von Chris Carter erinnert, der sagte, Anfangs habe er vorgehabt, ebensoviele Geschichten zu erzählen, in denen Scully richtig lag, diese Geschichten hätten sich aber als öde und langweilig erwiesen. Es ist vermutlich kein Zufall, dass Dreh- und Angelpunkt von Scullys Halluzination eine Trauerfeier ist.

"Field Trip" ist somit in erster Linie eine Charakterstudie der beiden Hauptfiguren, die durch das Verwirrspiel um Realität und Halluzination transportiert wird. Man kann kritisieren, dass dieses Verwirrspiel relativ schnell durchschaubar ist - die erst bei Mulders, dann bei Scullys Ankunft am Tatort platzenden Pilze sind einfach sehr offensichtlich. Auch dass es sich bei den Erlebnissen um Halluzinationen handelt, wird ziemlich schnell deutlich, so eng wie die Erlebnisse an frühere Erfahrungen der beiden angelehnt sind; mehrere zuvor gehörte Sätze werden von Akteuren innerhalb der Halluzinationen praktisch unverändert rezitiert. Den Zuschauer zu verwirren ist jedoch nicht das Hauptanliegen der Episode. Die schauspielerischen Leistungen beider Hauptdarsteller sind positiv hervorzuheben, und auch die Szenen in der Höhle sind gut umgesetzt. Entscheidend ist für mich jedoch die sehr gelungene Sichtweise auf die Figuren Mulder und Scully. Ich vergebe gute fünf Pilzsporen dafür.
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Re: Akte X - Staffel 6

Beitragvon nevermore » So 13. Okt 2019, 17:32

Folge 22, Staffel 6: "Artefakte / Biogenesis"

Drehbuch: Chris Carter & Frank Spotnitz
Regie: Rob Bowman



An der Elfenbeinküste wird ein Artefakt am Strand gefunden, das mit mysteriösen Schriftzeichen bedeckt ist. Ein afrikanischer Forscher bringt es in die USA, um es von einem Kollegen untersuchen zu lassen, der behauptet, ein ähnliches Fundstück zu besitzen. Bei seinem Besuch wird er ermordet, und das Artefakt wird vom Täter mitgenommen. Auch der Kollege, den er treffen wollte, ist verschwunden. Was verbleibt, ist ein Abdruck der Schriftzeichen auf einem Blatt Papier - und als Mulder damit in Kontakt kommt, entwickelt er so schwere neurologische Symptome, dass er schließlich in eine Klinik eingewiesen werden muss. Es ist nun an Scully, herauszufinden, was es mit dem Artefakt auf sich hat und in welcher Verbindung es zu Mulders Erkrankung steht. Sie reist nach Afrika und entdeckt den Ursprungsort des Artefakts: Es ist ein Teil eines außerirdischen Raumschiffs.

Der "Biogenesis"-Dreiteiler umfasst die ersten Mythologiefolgen nach Abschluss des wichtigen Mythologiekapitels, das vom Syndikat und seiner Verschwörung mit den Außerirdischen handelte. Er beginnt allerdings kein völlig neues Kapitel, sondern nimmt die Fäden wieder auf, die im Staffel 5-Finale "The End" und im Kinofilm "Fight The Future" angefangen worden sind. Der Dreiteiler handelt davon, dass der Ursprung des Lebens auf der Erde außerirdisch ist. Der Brite hat dies bereits in "Fight The Future" ausdrücklich konstatiert: "The virus [das schwarze Öl, Anm. von mir] is extraterrestrial. We know very little about it except that it was the original inhabitant of this planet." "Biogenesis" geht jedoch noch darüber hinaus und etabliert, dass die Aliens die Menschen geschaffen haben und in vielerlei Hinsicht das sind, was man gemeinhin unter "göttlich" versteht.

Theorien, nach denen das Leben durch Mikroorganismen auf Asterioden auf die Erde gebracht wurde, sind nicht neu; sie sind als sog. "Panspermie-Theorien" bekannt. Bereits im "Tunguska"-Zweiteiler in Staffel 4 tauchte diese Vorstellung auf (der Meteorit, der das schwarze Öl nach Kazachstan brachte), und hier nehmen Mulder und Scully explizit Bezug darauf: "Panspermia. It's the belief that life originated [...] elsewhere in this universe. [...] It's the idea that Mars or other planets were habitable long before Earth and that cosmic collisions on these planets blasted microbes into our solar system, some of which landed and flourished here." Untermauert wird die Theorie zumeist mit Hinweisen auf das Vorhandensein organischer Verbindungen auf Asterioden und Funden, die als versteinerte Bakterien vom Mars interpretiert wurden. Biogenese bedeutet - im Gegensatz zur Abiogenese - dass Leben aus etwas Lebendem, und nicht aus toter Materie entsteht. Die Panspermie-Theorie bleibt somit die Antwort auf die Frage schuldig, auf welche Weise dann das außerirdische Leben entstanden ist.

Die Verbindung zwischen den Außerirdischen und dem Göttlichen ist ebenfalls weder in Akte X noch ansonsten neu. Am bekanntesten dürften die Werke Erich von Dänikens sein, der vor allem in "Erinnerungen an die Zukunft" prä-astronautische Theorien über die Anwesenheit und den Einfluss außerirdischer Intelligenzen zur Zeit der Vorgeschichte und des Altertums vertrat. Ein weiteres Beispiel ist der Raelismus, der lehrt, dass die Menschheit auf gentechnische Experimente von Außerirdischen zurückgehe. Auch in der Science Fiction wurden solche Ideen schon thematisiert. Die Basis für diese Theorien ist das Auftreten ähnlicher Mythen und Bräuche in ganz unterschiedlichen Kulturen über die ganze Welt verteilt, wie beispielsweise die Erzählung von einer Sintflut. In Akte X selbst wurden die Aliens schon häufig mit dem Göttlichen in Verbindung gebracht; so wurden schon in Staffel 1 UFO als "Gefallene Engel" bezeichnet, der Kult in "Red Museum" drehte sich um eine außerirdische Rasse, in "Fearful Symmetry" war die Rede davon, dass die Außerirdischen eine Arche bauten, und immer wieder tauchten UFO auf, die in ihrer dreieckigen Form Ähnlichkeit mit dem Auge der Vorsehung hatten, das in verschiedenen religiösen Traditionen für die Verbindung zum Göttlichen steht. Vor allem aber im "Patient X"-Zweiteiler wurde die Verbindung sehr offensichtlich, sowohl in Mulders Eröffnungsmonolog als auch, als Cassandra über die Aliens spricht.

In "Biogenesis" nun findet der afrikanische Biologe Merkmallen an der Elfenbeinküste ein metallisches Artefakt, das mit mysteriösen Schriftzeichen bedeckt ist, und erstaunliche Kräfte zeigt. Ein ähnliches Artefakt befindet sich im Besitz des US-amerikanischen Wissenschaftlers Sandoz, den Merkmallen besuchen will - bevor sich die beiden treffen können, wird Merkmallen jedoch ermordet, was Mulder und Scully in den Fall bringt. Das Artefakt ist verschwunden, es bleibt den Agenten nur ein Abdruck der Schriftzeichen auf Papier. Bei der Autopsie von Merkmallen findet Scully Hinweise auf kosmische Strahlung, die nur im Weltraum vorkommt - was Mulder dahingehend deutet, dass das Artefakt, das Merkmallen mit sich führte, außerirdischen Ursprungs ist. Wie sich im Verlauf der Episode erweist, handelt es sich bei den Schriftzeichen um Navajo-Schrift. Der hinzugezogene Albert Hosteen (seinen ersten Auftritt hatte er im Staffel 2-Finale "Anasazi) hat die Zeichen auf den Artefakten in Sandozs Besitz entschlüsselt; sie enthalten Passagen aus der biblischen Genesis, aber auch Teile des menschlichen genetischen Codes. Für Mulder ist dies der Beweis, dass religiöse Texte wie die Bibel tatsächlich von Außerirdischen kommen, die sie den Menschen überbracht haben, ebenso wie den Schlüssel zu wissenschaftlichen Mysterien: "it would mean that our progenitors were alien, that our genesis was alien, that we're here because of them, that they put us here. [...] All the mysteries of science, everything we can't understand or won't explain, every human behaviorism, cosmology, psychology, everything in the X-Files, it all owes to them. It's from them." Eine Schlussfolgerung, die Scully sich weigert zu akzeptieren.

Der Papierabdruck des Artefakts, der im Besitz der Agenten ist, hat eine besondere Wirkung auf Mulder. Er bekommt erst starke Kopfschmerzen und hört immer wieder Stimmen ("it comes and goes"). Später gewinnt er Eindrücke von den Gedanken anderer Menschen; so bemerkt er, dass Skinner lügt ("I hear it ... in my head"). Dies verstärkt sich soweit, dass Mulder eine Kakophonie von Stimmen in einem Kopf hört, die er nicht mehr kontrollieren kann, und schließlich einen mentalen Zusammenbruch erleidet und in die Psychiatrie eingeliefert wird. Dort wird eine extrem abnorme Gehirnfunktion diagnostiziert. Interessant ist hierbei, dass nicht das Artefakt selbst, sondern sein Abbild diese Wirkung hervorruft - der Kontakt mit dem Artefakt selbst ist nicht erforderlich. Es fallen im Zusammenhang mit dem Artefakt wiederholt Begriffe wie Zeichen, Symbol, oder Magie, und es wird ihm eine "Macht" zugeschrieben. Chuck Burks schließlich bringt es ausdrücklich mit dem magischen Quadarat in Verbindung. Entscheidend scheinen die Worte zu sein, die es repräsentiert, nicht das Artefakt selbst. Das erinnert nicht nur an magische Worte wie "Abrakadabra", bei denen ein Zauberspruch eine Wirkung hervorruft, sondern auch an die Bibelaussage "Am Anfang war das Wort". Worte an sich entfalten Wirkung in der Realität.

Als Strippenzieher im Hintergrund agieren wieder einmal der Raucher und unser Freund Krycek. Krycek hat seit der Episode "S.R. 819" über die Nanobots die Kontrolle über Walter Skinner und erpresst diesen damit. Er sorgt dafür, dass Skinner den Fall Mulder und Scully zuweist; er ist derjenige, dessen Verwicklung in den Fall Mulder in Skinners Gedanken hört ("There's someone else on this case you're not telling me"). Er nimmt das Überwachungsband mit, auf dem das Treffen in Skinners Büro aufgenommen wurde; vermutlich hat er auch dafür gesorgt, dass die Kamera im neuen Rauchmelder im Kellerbüro installiert wurde. Krycek war derjenige, der Barnes zuerst kontaktierte ("Are you the man who called?"), er war im Treppenhaus anwesend, als Mulder zusammenbrach und vermutlich verantwortlich dafür, dass Diana Fowley zu Hilfe gerufen wurde. Am Ende tötet er in New Mexico Sandoz, als dieser Scully über den humangenetischen Code auf dem Artefakt informiert (woraufhin Scully nach Afrika fliegt). Krycek agiert hier vermutlich alleine und nicht im Auftrag des Rauchers, allerdings ist auch dieser im Hintergrund weiter aktiv. So ist er offenbar in Kontakt mit Fowley und wir sehen eine Sitzung, in der über eine bevorstehende Massenvernichtung diskutiert wird - geht es hier wieder um die Kolonisierung, und ist der Raucher dabei, eine Art neues Syndikat zu formen? Die Episode lässt es offen.

"Biogenesis" kombiniert Elemente der klassischen Akte X-Mythologie mit neuen Themen. Im Vergleich zu anderen Mythologie-Episoden ist der Dreiteiler weniger vollgepackt mit Action, sondern schlägt ein geruhsameres Tempo an und wirkt zuweilen fast meditativ. Religiöse Themen spielten auch früher in der Serie eine Rolle, nun aber werden Fragen der Erschaffung des Universums und der Menschheit ausdrücklich angegangen, wodurch "Biogenesis" schon in der Anlage abstrakter, philosophischer und spiritueller als andere Mythologiefolgen ist. Statt um eine bevorstehende Kolonisierung durch Aliens geht es nun darum, ob die Aliens für unsere Existenz verantwortlich sind. Rob Bowman zeichnet für die Regie von "Biogenesis" verantwortlich, und entsprechend ist die Episode wieder sehr cineastisch inszeniert. Bereits die Eröffnungssequenz, die, zu Scullys Monolog über die Entstehung des Lebens, von einer Ansicht der Erde aus dem Weltall über eine Montage von Bildern, die die Erdgeschichte mit der Evolution und den fünf Massensterben zeigen, zur Entdeckung des Artefakts am Strand der Elfenbeinküste überblendet, ist spektakulär. Ebenso großartig das Ende, als Scully am Strand in Afrika das außerirdische Raumschiff entdeckt. Ein Cliffhanger der etwas anderen Art, da niemand in unmittelbare Gefahr gebracht wird, der aber dennoch neugierig macht, wie Scully mit dieser Erfahrung umgehen wird. "Biogenesis" gefällt mir besser als die letzten beiden Staffelfinals ("Gethsemane" und "The End"), ich vergebe gute fünf außerirdische Artefakte dafür.
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