Akte X - Staffel 2




Alles zu Chris Carters Mystery-Serien Akte X, MillenniuM und The Lone Gunmen

Re: Akte X - Staffel 2

Beitragvon nevermore » Mi 17. Okt 2018, 19:03

Folge 20, Staffel 2: "Der Zirkus / Humbug"

(Kopie von SciFi Forum)


Der mysteriöse Tod eines Zirkuskünstlers führt Mulder und Scully zu einem Freak-Wanderzirkus voller bizarrer Teilnehmer. Die Untersuchung, um einen der Zirkusleute zu zitieren, "gestaltet sich schwierig", die Agenten irren zwischen allen möglichen falschen Fährten herum, von der Fidschi-Meerjungfrau bis zum Sheriff selber. Am Ende ist der Gesuchte der siamesische Zwilling des Säufers Lanny, der einen neuen Wirt sucht, weil er nicht zusammen mit seinem Bruder sterben will.

Darin Morgan ist für mich ein Genie, der mit Sicherheit außergewöhnlichste Autor der X-Akten und einer der wichtigsten, auch wenn er in den ursprünglichen neun Staffeln nur vier Folgen verfasst hat. Humbug ist die erste, vielleicht nicht seine allerbeste, aber dennoch eine der besten Episoden der zweiten Staffel. Alle Darin Morgan-Episoden fallen in die Kategorie "Comedy", doch gleiten sie nie in simplen Klamauk und Effekthascherei ab. Sie sind außergewöhnlich durchdacht, bis in die einzelnen Dialogzeilen, und haben immer eine tiefere Botschaft, über die menschliche Gesellschaft und die Serie selbst. In Humbug nutzt er die Zirkusgesellschaft mit ihren Außenseitern für einen Kommentar zum Thema Erwartungen und Vorurteile. Gleich zu Beginn werden zwei Jungs im Swimmingpool von einer hässlichen, monströsen Kreatur überrascht - ein typischer X-Akten-Einstieg, meint man, nur um gleich darüber aufgeklärt zu werden, dass die Kreatur der Vater der Kinder ist, der wieder nur Momente später von einem unbekannten Mörder getötet wird. Schon hier stellt Morgan eine der Prämissen der Show auf den Kopf: Freaks und Mutanten sind in den X-Akten üblicherweise die Antagonisten, die unschuldige Opfer angreifen - nicht Familienväter, die selber ermordet werden. Im besten Fall sind sie bemitleidenswert, weil sie nicht nur Täter, sondern selber Opfer sind. "Imagine going through your whole life looking like this", sagt Scully beim Anblick des Aligator-Manns, ein Satz, der sie später auf die Füße fällt.

Mit Kommentaren über falsche Erwartungen geht es weiter, als Mulder und Scully im Hotel einchecken, mit einer Diskussion über Vorurteile wegen des äußeren Erscheinungsbilds mit dem kleinwüchsigen Hotelmanager. Mulder tappt gleich zweimal in die Falle, als er ihm erst das Hotelmanagement nicht zutraut, und ihn dann verdächtigt, unter Scullys Wohnwagen spannen zu wollen. Scully bemitleidet die Zirkusgesellschaft als Außenseiter und vermutet, sie hätten durch ihre Isolation Psychosen entwickelt. Dies ist eine gradezu grotesk fehlgeleitete Realitätswahrnehmung durch eine Agentin, deren Partner im Kellerbüro sitzt, "the FBI's most unwanted", den keiner ernst nimmt außer anderen Außenseitern, und der sein Geld mit der Jagd nach Außerirdischen verdient. Beide haben kein Leben außer ihrer Arbeit, und wohnen in Häusern ohne Kontakte zu ihren Nachbarn. Mulder und Scully scheinen sehr viel isolierter und von ihren Mitmenschen abgeschotteter als die Mitglieder dieser Zirkusgesellschaft, deren Beziehungsgefüge anscheinend ganz gut funktioniert.

Auch bei der Verfolgung des Sheriffs machen sich beide der Diskriminierung schuldig; das hauptsächliche, wenn nicht gar einzige Verdachtsmoment ist, dass der Sheriff früher selbst ein Freak war. Den beiden ist das sogar klar, sie machen aber dennoch unbeirrbar weiter und sich zum Deppen, als sie ertappt werden und sich mit der Exhumierung einer Kartoffel herausreden müssen. Überhaupt, "the investigation isn't going too well" - Mulder verirrt sich im Labyrinth, Scully zahlt Gebühren für Extra-Beweismaterial in einer Geisterbahn und verfängt sich in einem Spiegelkabinett, später versucht sie sogar, einen Entfesslungskünstler mit Handschellen festzunehmen.

Durch die Episode werden immer wieder Kommentare zum Thema eingestreut, so sagt Lanny über seine aufgegebene Karriere im Zirkus, Mr Nutt habe ihn überzeugt, dass es würdelos sei, sein Geld damit zu verdienen, dass man für eine Deformation angestarrt wird - "So now I carry other people’s luggage". Ist das würdevoller? Ist er glücklicher damit? Als man ihn fragt, ob es weh tut, wenn sich Leonhard von ihm trennt, antwortet er: "It hurts not to be wanted."

Dr Blockheads abschließende Kommentare über das Normale und die Zukunft in einer Welt genetisch optimierter Menschen - "Imagine going through your whole life looking like that!", sagt er zu Scully und deutet auf den in Superman-Pose dastehenden Mulder - reflektieren über den Niedergang seiner kleinen Gesellschaft. Es kommen keine neuen Freaks nach, es ist nicht mehr "politisch korrekt", Außenseiter anzustarren. Wieder fragt man sich, ob der normal aussehende, einem Idealbild nahekommende Mulder tatsächlich normaler oder glücklicher ist.

In einer anderen Inszenierung wäre das alles vielleicht oberlehrerhaft herüberbekommen, aber durch die surreale Handlung, die bizarren Charaktere und den schrägen Humor funktioniert die Episode. Sie kommt vielleicht nicht ganz an Morgans allerbeste Skripts heran, aber ich gebe trotzdem sechs Fidschi-Meerjungfrauen dafür.
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Re: Akte X - Staffel 2

Beitragvon nevermore » Do 18. Okt 2018, 21:18

Folge 21, Staffel 2: "Heilige Asche / The Calusari"

(Kopie von SciFi Forum)


In einem Freizeitpark wird ein kleiner Junge von einem Zug überfahren. Es hat den Anschein, als sei das Kind auf die Gleise gelockt worden. Mulder und Scully besuchen die Familie mit einer abergläubischen rumänischen Großmutter, die dort merkwürdige Rituale abhält. Mulder vermutet Poltergeist-Aktivitäten, Scully Kindesmisshandlung. Die Großmutter ruft eine Gruppe rumänischer Ritualisten herbei, die die Familie vom bösen Einfluss eines tot geborenen Sohnes befreien soll.

Die Episode stammt von derselben Drehbuchautorin, die auch "Aubrey" verfasst hat - die Geschichte über den Großvater, der seine mörderischen Instinkte an seine Enkelin vererbte - und ergibt logisch ebenso wenig Sinn. So langsam wird das ärgerlich, das ist jetzt das wiederholte Mal, dass eine eigentlich vielversprechende Geschichte durch abstruse Logik geschädigt wird. "Aubrey" hatte mit der Vererbung des Bösen ein ähnliches Thema, und schon da war nicht klar, was jetzt eigentlich vor sich geht. Wurde der Körper der Enkelin übernommen, oder wurden Verhaltensmuster vererbt? So ähnlich ist es auch hier wieder. Ist der verstorbene Michael böse, weil er gestorben ist? Oder weil Maggie einen Amerikaner geheiratet hat? Wie kann Michael die Hühner und die Garagentür kontrollieren - hat er telekinetische Kräfte? Ist Charly von Michael besetzt, wie die Exorzistenszene suggeriert - und wenn ja, weswegen kann Michael dann in Fleisch und Blut erscheinen und mit seiner Mutter nach Hause gehen, während Charly im Krankenhaus ist? War das Charly im Vergnügungspark, oder Michael, oder der von Michael besetzte Charly? Das Ganze ist einfach nur wirr.

Das ist schade, denn eigentlich ist schon der Einstieg in die Episode vielversprechend und selbst für X-Akten-Verhältnisse düster, mit dem Tod eines zweijährigen Kindes. Mit der Frage, was das Böse ist bzw. ob es eine für sich selbst existierende Kraft ist, behandelt sie ein typisches Carter-Thema, der ja nicht nur in Akte X, sondern auch in Millennium oft mit dieser Vorstellung des Bösen An Sich spielt. Auch ein typisches X-Akten-Thema ist, dass man die Vergangenheit und die Ahnen nicht so einfach los wird - es nutzt Maggie nichts, einen Amerikaner zu heiraten und in die USA zu ziehen, der rumänische Volksglauben holt sie auch dort wieder ein. Interessant ist hierbei auch, dass die Episode suggeriert, dass die Großmutter recht hatte: Hätte man das Trennungsritual bei der Geburt durchgeführt, wie von ihr gefordert, wäre nichts passiert. Ein biblisches Bild ist mit dem bösen Zwilling auch dabei (die Geschichte von Kain und Abel).

Die Inszenierung durch Michael Vejar ist sehr spannend und hat mit den Ritualszenen, vor allem im Zimmer der Großmutter, wirklich spektakuläre Bilder. Auch die Szenen im Vergnügungspark sind wunderbar umgesetzt. Die ominöse Musik tut ihren Teil dazu. Interessanterweise ist Scully diesmal im Raum der Großmutter mitten im paranormalen Geschehen - wie will sie diese Erlebnisse wegrationalisieren? Nebenbei wird noch der Computerexperte Chuck eingeführt, der auch noch ein paarmal in der Serie als etwas schräger Gastcharakter auftaucht. Die Folge hätte ohne den ärgerlichen Logik-Wirrwarr durchaus noch mehr Potenzial gehabt, so gebe ich vier gerupfte Hühner dafür.
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Re: Akte X - Staffel 2

Beitragvon nevermore » Fr 19. Okt 2018, 20:27

Folge 22, Staffel 2: "Verseucht / F. Emasculata"

(Kopie von SciFi Forum)


Ein Gefängnisinsasse erhält ein mysteriöses Gepäckstück zugestellt, dessen Inhalt ihn mit einem tödlichen Erreger infiziert. Während ein Seuchenkommando versucht, der Lage Herr zu werden, können zwei infizierte Gefangene fliehen. Mulder verfolgt mit einer FBI-Truppe die Flüchtigen, derweil versucht Scully, die Wahrheit über den Erreger herauszufinden. Es stellt sich heraus, dass der Erreger von einem Pharmaunternehmen bewusst ins Gefängnis eingeschleust wurde, um seine Verbreitung an den Insassen zu testen.

Wie in "Blood" geht es in dieser Episode um ein Experiment, von dieser Pharma-Firma durchgeführt, diesmal aber geht es darum, den Ausbruch einer Seuche zu testen und das Wissen darüber zu kontrollieren. Da der Raucher hier wieder herumlungert, ist das Ganze vermutlich vom Syndikat inszeniert.
Vermutung: Ein Vorläufer der Bienenexperimente, bevor man entschieden hat, das Purity-Virus durch Bienen in den Umlauf zu bringen.

Scully und Mulder versuchen ihr Bestes, um die Vorgänge aufzudecken, laufen aber ständig den Ereignissen hinterher. Der Wissenschaftler, der mit Scully zusammen arbeitet, stirbt; Mulders einziger Zeuge wird, bevor er irgendetwas von Wert aussagen kann, erschossen. Was an Beweisen übrigbleibt, reicht kaum aus, um die Seuche zu dokumentieren, von der dahinter stehenden Verschwörung gar nicht zu reden.

Eines der zentralen Themen der Episode ist die Frage, ob man der Öffentlichkeit immer die Wahrheit sagen soll oder nicht. Mulders Auffassung steht hier diametral der des Rauchers entgegen: Mulder ist der Meinung, dass man die Öffentlichkeit nicht schützen sollte (oder kann?), indem man sie belügt, während der Raucher dies als legitimes Mittel ansieht und Mulder darauf hinweist, dass dies die ganze Zeit getan wird. Scully vertritt in diesem Fall die Meinung des Rauchers und glaubt, dass eine Panik mehr Schaden anrichten würde als die Seuche selbst. Es ist eine Stärke der Episode, dass der Raucher hier weiter entwickelt wird und man als Zuschauer etwas mehr über seine Überzeugungen und Motivationen erfährt. Zumindest in diesem Fall ist seine Argumentation nachvollziehbar; während jedoch Scully hier bezogen auf den konkreten Fall argumentiert, scheint es sich beim Raucher eher um eine grundlegende philosophische Haltung zu handeln, dass man die Öffentlichkeit belügen muss, um sie zu schützen.

Es ist eine interessante Frage, die die Folge hier aufwirft: Wie legitim ist Mulders Jagd nach "der Wahrheit", die öfter mal auf Kosten seines Engagements in seinem eigentlichen Job geht, generell? Der Raucher konfrontiert ihn damit: "How many people are being infected while you stand here, not doing your job? Ten? Twenty? What is the truth, Agent Mulder?" Das kann man nicht nur auf den vorliegenden Fall, sondern auf Mulders Arbeit generell beziehen. Die Grundprämisse der Show, Mulders Suche nach der Wahrheit, wird hier gleich in zweifacher Weise kritisch in Frage gestellt, und die Autoren lassen die Antwort offen.

Bis zum Ende bleibt undurchsichtig, wer hinter den Kulissen welche Strippen zieht; auch Skinners Rolle ist wieder einmal rätselhaft. Man erfährt zu Anfang nur, dass die Agenten nicht wissen, warum ihnen der Fall übertragen wurde. Am Ende sagt er gar, Mulder und Scully seien auf den Fall angesetzt worden, um diskreditiert zu werden, und dass er derjenige ist, der "auf der Grenze steht".

Die Kritikpunkte an dieser Episode wurden ja schon erwähnt; es ist sehr unvorsichtig von Scully, sich ohne Schutzkleidung mit dieser Infektion zu beschäftigen, und auch der Wissenschaftler verhält sich nicht umsichtig genug, was ihn dann auch das Leben kostet. Auch die FBI-Beamten verhalten sich bei der Verfolgung des offensichtlich infizierten Flüchtigen recht fahrlässig. Die Effekte mit den Pusteln sind gut gemacht, aber der Ekelfaktor ist ziemlich grenzwertig.

Ansonsten hat die Episode alles, was eine gute X-Akte ausmacht. Verschwörungen, viel Spannung, ein undurchsichtiger Akteur im Hintergrund und ein hohes Gefahrenpotenzial, es werden Charaktere weiterentwickelt, interessante Fragen aufgeworfen und die Verknüpfung zur Haupthandlung ist auch da. Ich gebe gute vier tropische Stechmücken dafür.
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Re: Akte X - Staffel 2

Beitragvon nevermore » So 21. Okt 2018, 16:57

Folge 23, Staffel 2: "Das Experiment / Soft Light"

(Kopie von SciFi Forum)


Mulder und Scully untersuchen eine Serie von Todesfällen, bei denen vom Opfer nur ein Fleck schwarzer Asche übrig bleibt. Ein Überwachungsvideo führt zu einem Unternehmen, das Experimente mit einem Teilchenbeschleuniger durchführt. Einer der Wissenschaftler, Banton, der dunkle Materie erforscht, ist nach einem Unfall verschwunden. Es stellt sich heraus, dass sich nach dem Unfall sein Schatten wie ein schwarzes Loch verhält und alles, was mit ihm in Berührung kommt, zerstört.

"Soft Light" ist Vince Gilligans erstes Drehbuch für Akte X, und ich kann damit leider nur sehr wenig anfangen. Für meinen Geschmack passt das schon thematisch nicht wirklich zu den X-Akten, es ist eher ein Science Fiction-Stoff, und es überraschte mich nicht, zu lesen, dass Gilligan ein großer Star Trek-Fan ist. Entsprechend enthält die Episode allen möglichen Techno-Babble, und wenn ich auch nicht wirklich Ahnung von der Thematik habe, habe ich schon nach einer kurzen Recherche den starken Verdacht, dass das Ganze hochgradiger und nicht einmal im Ansatz Sinn ergebender Blödsinn ist. Es fängt schon bei der Auftaktszene an, als der Schatten unter der Tür durchkriecht - seit wann haben Schatten die Angewohnheit, unter Türen durchzukriechen? Wie kann ein Schatten etwas mit "dunkler Materie" zu tun haben? Und vielleicht kann mich ja einer der physikalisch bewanderten Teilnehmer darüber aufklären, inwiefern ein schwarzes Loch dafür sorgt, dass ein Mensch, der damit in Berührung kommt, samt Kleidung etc. in einen Haufen Asche zerfällt, sämtliche andere Materie wie Möbel, Fussbodenbeläge etc., die damit in Berührung kommen, aber unversehrt bleibt.

Jedenfalls, ähnlich wie beim Computergenie Wilczek in "Ghost in the Machine" ist die Regierung hinter Banton her und will ihn für ihre Experimente vereinnahmen - was dieser unter allen Umständen verhindern will. Die Opfer sind abgesehen von der Agentin Ryan alle durch Unfälle verstorben, Ryan ist die einzige, die Banton absichtlich mit seinem Schatten in Berührung bringt. Es sieht so aus, als würde die Episode Ryan etwas "abstrafen" dafür, dass sie ihre persönliche Karriere über die Aufklärung des Falls stellt und Mulder und Scully zunächst für den Fall benutzt, als deren Beteiligung, von der niemand etwas wissen soll, aber auffliegt, wie eine heiße Kartoffel fallen lässt. Zeitweilig hatte es den Anschein, als wollte die Episode die Schwierigkeiten einer jungen Agentin im männlich dominierten FBI thematisieren, aber letztlich wird Ryan doch auf eine Stereotype reduziert. Dann hätte man das ganze Thema auch gleich lassen können.

Ein paar Lichtblicke hat die Episode aber doch. Zu Anfang die amüsante Szene, als Scully das Lüftungsgitter inspiziert - hatte sie den Verdacht, Tooms sei irgendwie doch dem Tod in der Rolltreppe entkommen, oder habe bisher unbekannte Geschwister? Gefreut hat mich auch, X wieder zu sehen. X wird hier von Mulder zuhilfe gerufen, und gibt zunächst vor, über die Sache nichts zu wissen und auch nichts damit zu tun haben zu wollen. Wie sich herausstellt, verfolgt er aber eine eigene Agenda, nämlich Banton in die Gewalt der Regierung zu bringen. Hatte er das von Anfang an vor, oder wurde er erst von Mulder auf Bantons Spur gesetzt? Auf jeden Fall weiß er, was es mit Banton auf sich hat, denn er weicht dessen Schatten aus, und in der Schlußszene sagt ein Regierungswissenschaftler, dass Banton schon lange beobachtet wird. Das Ganze erinnert an E.B.E., als Mulder von Deep Throat gründlich an der Nase herumgeführt und angelogen wurde, nur dass die Situation mit X hier für Mulder viel schlimmer ist: Nicht nur ist X hier nicht auf seiner Seite, er bringt Banton genau dorthin, wo er unter keinen Umständen hin will, und Mulder hat hier überhaupt nichts erreicht, sondern u.U. Bantons Situation noch verschlimmert. X's Rolle wird in der Episode ausdrücklich von der Deep Throats abgehoben: X sagt zu Mulder, er habe Banton nicht getötet - und sagt hier die Wahrheit, nur dass die Wahrheit darüber, was er getan hat, schlimmer als jede Lüge ist.

Also eine mehr als zwielichtige Rolle, die X da spielt. Immerhin warnt er Mulder noch, es sei gefährlich, den weiteren Weg alleine zu gehen, als Mulder den Kontakt zu ihm abbrechen will. Dessen Beteiligung ist aber auch eines der wenigen positiven Dinge, die ich dieser Episode abgewinnen kann. Insgesamt gibt es grade noch knappe drei Teilchenbeschleuniger dafür.
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Re: Akte X - Staffel 2

Beitragvon nevermore » So 21. Okt 2018, 16:58

Folge 24, Staffel 2: "Unsere kleine Stadt / Our Town"

(Kopie von SciFi-Forum)


In der Kleinstadt Dudley wird der Lebensmittelkontrolleur der örtlichen Hühnerfabrik tot aufgefunden, und eine Angestellte verliert den Verstand. Die Untersuchungen zeigen, dass beide an der seltenen Creutzfeldt-Jakob-Erkrankung litten. Im örtlichen Fluss unzählige menschliche Knochen gefunden; es sind mehr als 100 Menschen in den letzten 50 Jahren verschwunden. Es stellt sich heraus, dass der Betreiber der Fabrik in der Stadt den Kannibalismus etabliert hat.

Der Fall ist eigentlich keine X-Akte; die einzige Verbindung zum Übernatürlichen ist, dass die Teilhabenden am kannibalistischen Ritual verzögert altern: Sowohl Paula als auch ihr Großvater Chaco sehen Jahrzehnte jünger aus, als sie es den Stammbüchern zufolge sein müssten.

Nicht zum ersten Mal (Red Museum, Die Hand, die verletzt) verbergen sich hinter der biederen Kleinstadt-Idylle schockierende Abgründe. Die Einwohner sind nicht nur Kannibalen, sie schrecken nicht einmal davor zurück, Mitglieder ihrer eigenen Gemeinde zu verspeisen, so mit dem Mord an Mrs Kearn - woraufhin der Stammesvater Chaco die Kontrolle verliert und selber zum Opfer wird. In "Our Town" sind die Einwohner nicht nur mehr oder weniger passive Komplizen, sondern sie scheinen einen regelrechten Zuliefermechanismus etabliert zu haben, indem bspw. Paula nichtsahnende fremde Männer mit dem Ziel, sie zu Kannibalenopfern zu machen, verführt. Das Verspeisen des Opfers ähnelt einem Barbeque, die verbleibenden Knochen werden in den Fluss gekippt. Ähnlichkeiten mit der Hühnerverarbeitung sind vermutlich nicht unbeabsichtigt.

Die Episode hat auch einige zeitkritische Elemente, vor allem bei der Darstellung der Hühnerproduktion (in ähnlich kannibalischer Weise werden Hühner an Hühner verfüttert) und in den Bezügen zur BSE-Krise (die auch durch kannibalische Fütterungsweisen verursacht war). Bei den Bildern aus der Hühnerfabrik kann einem der Appetit auf Hühnchen vergehen, besonders als Paula anstelle des Huhns den Kopf ihres Opfers auf dem Fließband sieht. Etwas schwarzer Humor ist auch enthalten, als Scully mit einer großen Tüte Chicken Wings zur Untersuchung der Knochen eintrifft. Erwähnt wird auch noch, dass die Anasazi, Thema der folgenden Episode, Kannibalen waren. Insgesamt fand ich die Episode eher durchschnittlich, und gebe auch drei Chicken Wings dafür.
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Re: Akte X - Staffel 2

Beitragvon nevermore » Mo 22. Okt 2018, 18:12

Folge 25, Staffel 2: "Anasazi / Anasazi"

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Was ist nicht alles los in diesem furiosen Staffelfinale, Auftakt zum vielleicht besten Dreiteiler der Serie. In der Wüste New Mexicos findet ein Navajo-Junge einen vergrabenen Güterwaggon und einen nicht-menschlich aussehenden Leichnam. Ein Hacker stiehlt Daten über Kontakte mit Außerirdischen aus dem Verteidigungsministerium, und übergibt das Datenband an Mulder. Das Syndikat vergiftet Mulder mit LSD-verseuchtem Wasser, und ermordet seinen Vater. Scully hat alle Hände voll zu tun, jemanden zu finden, der die in Navajo-Sprache verschlüsselten Dateien übersetzt, und den unter Drogen stehenden Mulder unter Kontrolle zu bekommen. Als Mulder in der Wüste von New Mexico wieder zu sich kommt, findet er im Güterwaggon aufgestapelte Leichen.

Die Daten, die der Hacker Sunna aus dem Verteidigungsministerium stiehlt, sind die sog. "Majestic 12"-Dokumente, um die sich in RL eine Menge Verschwörungstheorien ranken (siehe hier). Sie enthalten laut Sunna alle Informationen im Zusammenhang mit Kontakten mit Außerirdischen seit den 1940er Jahren. Die Bedeutung der Daten wird gleich nach dem Intro deutlich gemacht, als italienische, japanische, deutsche und amerikanische Regierungsbeamte telefonisch benachrichtigt werden. Das Ausmaß der Verschwörung, von Deep Throat schon in der ersten Staffel angedeutet, wird hier deutlich - sie geht weit über die USA hinaus. Alle sind sich einig, dass die Sicherheitslücke sofort geschlossen werden muss, und der Raucher zieht die Sache an sich. Einerseits wird hier deutlich, welch hochrangige Stellung er haben muss, andererseits deutet sich an, dass er anscheinend selbst innerhalb der Verschwörung noch seine eigene Agenda hat, denn als er dem deutschen Gesprächspartner sagt, er habe bereits alles erledigt, hat er in Wirklichkeit noch nicht einmal damit angefangen.

Es ist nun definitiv klar, dass Bill Mulder Teil der Verschwörung war, denn er ist der erste, den der Raucher aufsucht. Mulder sen. wird vom Raucher gewarnt und ihm wird geraten, alles zu leugnen, aber er entscheidet sich, Fox alles zu beichten und zitiert diesen her. Bevor er jedoch auspacken kann, wird er von Krycek erschossen. Immerhin deutet er vorher noch das grausige Geheimnis an: "Fox, you're going to hear the words and they'll come to make sense to you." - "What words?" - "The merchandise".

In "Anasazi" wird nun bekräftigt, was sich in "Colony" und "Endgame" schon andeutete: Mulder ist nicht nur zufällig in diese Sache hineingestolpert, sondern er ist durch die Beteiligung seines Vaters mittelbar in die Verschwörung verwickelt. Ähnlich wie in Star Wars ist das übergeordnete Geschehen gleichzeitig eine Muldersche Familienangelegenheit. Wieder das Motiv der von den Eltern oder Ahnen geerbten unerledigten Hausaufgaben, vor denen man nicht davonlaufen kann. Hier auf der persönlichen Ebene, aber später in der Episode auch auf einer viel größeren.

Das Syndikat, oder Teile davon, will nun ernsthaft Mulder (den Sohn) aus dem Verkehr ziehen (der Raucher hat hier seine eigene Agenda; dies geht offenbar nicht auf ihn zurück: "You wouldn't harm him?" -- "I've protected him this long, haven't I?"). Erst wird er unter Drogen gesetzt (schön, wie zu Beginn der Episode Mulder immer wieder mit einem Wasserglas zu sehen ist), wobei man den Tod Unbeteiligter billigend in Kauf nimmt. Aufgrund seiner Attacke auf Skinner wird er aus dem FBI entfernt. (Eine fantastische Szene ist die Befragung Scullys durch das FBI - am Tisch sitzt u.a. Chris Carter höchstselbst, der sie fragt: "Your partner. Weren't you originally assigned to agent Mulder to debunk his work?" Was für eine brilliante Idee, die Figur Scully vor ihren Schöpfer zu zerren, der sie fragt, warum sie nicht den Job macht, für den sie ursprünglich vorgesehen war. :lol: Carter räumt hier nicht ohne Selbstironie ein, wie weit sich die Figur - und die Serie - von dem, was er sich ursprünglich vorgestellt hatte, wegentwickelt hat.) Als Mulder dann X zu rufen versucht, kommt der nicht. Dann erschießt man seinen Vater, und versucht ihm, den Mord anzuhängen. Wäre Scully nicht da gewesen und hätte ihn davor bewahrt, Krycek zu erschießen, dann hätte das Komplott vermutlich sogar funktioniert. Aber egal was sie anstellen, egal wie durchgedreht sich Mulder verhält, sie können nicht verhindern, dass Scully weiter zu ihm hält.

In der Wüste von New Mexico kommt er dann dahinter, was es mit "the merchandise" auf sich hat. Die Szenen dort (in den Produktionsnotizen las ich, dass sie in einem Steinbruch bei Vancouver gefilmt wurden, der mit über 6000 Litern Farbe rot gestrichen wurde, um nach Navajo-Wüste auszusehen - das war vor den heutigen Möglichkeiten der digitalen Bildbearbeitung!) sind voll von Symbolik und Metaphern. Schon im Teaser wird der Bahnwaggon durch ein Erdbeben freigelegt - "the Earth has a secret to tell", sagt der alte Navajo Albert Hosteen. Als wollte sie das grausige Geheimnis wieder ausspucken. Die Tagline der Episode "Éí 'Aaníígóó 'Áhoot'é" bedeutet "The Truth is Out There" in der Sprache der Navajo.

Die Leichen, die Mulder findet, hält er zunächst für Außerirdische, bis er die Pockenimpfungsnarben entdeckt. Die grausigen Bilder im Waggon erinnern an Bilder aus einem Vernichtungslager der Nazis - die Bezeichnung der Opfer als "merchandise" macht klar, als was sie von den Tätern betrachtet wurden. Wer die Täter waren, darüber lässt die Episode auch keinen Zweifel: "Mulder, in these files I found references to experiments that were conducted here in the US by Axis Power scientists who were given amnesty after the war." Für die Experimente wurden Wissenschaftler der Achsenmächte, somit unter anderem auch Nazi-Wissenschaftler eingesetzt.

Hosteen arbeitete als Codierer für die Alliierten im Zweiten Weltkrieg, und ist daher über die Ereignisse im Bilde. Er glaubt, dass mystische Kräfte am Werk sind, um sie ans Licht zu bringen. "In the desert, things find a way to survive. Secrets are like this too. They push their way up through the sands of deception so that men can know them." Nichts verschwindet spurlos. Hosteen erzählt Mulder auch von den Anasazi, einem Indianerstamm, der vor 600 Jahren in der Gegend gelebt hat, und angeblich spurlos verschwunden ist. Hosteen glaubt, die Anasazi wurden von Außerirdischen entführt, was bedeuten würde, die Präsenz der Aliens und deren Eingreifen auf der Erde geht viel weiter als bis zum Roswell-Absturz zurück.

"Anasazi" ist ein fantastisches Staffelfinale, das wirklich nichts zu wünschen übrig lässt. Eine besondere Stärke ist hier wieder die Verknüpfung zu Vorgängen in der realen Geschichte: Die Majestic 12-Dokumente, die Kooperation von Nazi-Wissenschaftlern mit den Alliierten nach dem zweiten Weltkrieg, die Idee, dass einen diese Vergangenheit wieder einholen wird. Noch dazu endet sie mit einem großartigen Cliffhanger, als der Raucher Mulder bis zum Güterwaggon verfolgt und diesen anzündet. Wie wird er den Anschlag überleben? Ich gebe sechs gestohlene DAT-Bänder dafür.
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